Stripes
Stripes
Archiv

Das „Finale“ um die Meisterschaft

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Titel-Showdown in der Flens-Arena: Die SG Flensburg-Handewitt will am Sonntag (15 Uhr/Sport1) gegen Titelverteidiger Rhein-Neckar in der Handball-Bundesliga den entscheidenden Schritt zum zweiten Titelgewinn nach 2004 machen. Nur ein Punkt trennt beide Teams: Die Löwen haben mit 55:5 Zählern die Nase knapp vor den Flensburgern (54:6). „Aber wir haben es vor den letzten vier Spielen noch immer selbst in der Hand“, sagt SG-Linksaußen Anders Eggert. „Davon haben wir immer geträumt.“

Die Euphorie vor dem Bundesliga-Gipfel ist überall im Norden spürbar. Eine ganze Region fiebert mit ihrer SG, die nach elf Vizemeisterschaften in 25 Bundesliga-Jahren endlich zum zweiten Mal die Meisterschale an die Flensburger Förde holen will. „Die Sehnsucht danach ist riesig“, sagt Dierk Schmäschke. „Wir waren in den letzten Jahren nicht weit weg, jetzt wollen wir den Titel“, unterstreicht Trainer Ljubomir Vranjes. Die Flens-Arena ist seit Monaten ausverkauft. „Wir hätten locker 15000 Karten verkaufen können“, berichtet der Geschäftsführer. In den sozialen Netzwerken wurden gestern zwei Stehplatz-Tickets für 500 Euro angeboten.

Die SG-Fans stehen hinter ihrer Mannschaft und haben schon im Vorfeld der Spitzenpartie kreative Ideen entwickelt, um ihr den Rücken zu stärken. Am Mittwoch besuchten sie das Training, am Sonntag ist zum Abschluss ein Fan-Marsch vom Südermarkt zur Flens-Arena geplant. Dass die Flens-Arena morgen „kochen“ wird, davon ist Schmäschke überzeugt: „Das Publikum weiß, worauf es in diesem Spiel ankommt.“

Trainer und Spieler wissen es auch und haben sich unter der Woche konzentriert auf den Gegner vorbereitet. Die Ausgangsposition ist klar. Der Sieger des Duells wird aller Voraussicht nach am 10. Juni die Meisterschale in Empfang nehmen, dem Verlierer wird nur die bittere Erkenntnis bleiben, dass drei Saison-Niederlagen nach einer überragenden Spielzeit dennoch eine zu viel waren. „Wir wollen dieses Spiel gewinnen“, sagt Vranjes. „Wir spielen zu Hause.“ Der Schwede weiß, „dass der Gewinner in den letzten drei Spielen einen großen Vorteil hat, auch wenn bis zum Schluss um den Titel gezittert werden muss“. Und Vranjes ist sich auch klar, dass der Druck in diesem vorentscheidenden Spiel auf seiner SG liegt. „Aber das nehmen wir an, das ist keine Last für uns.“ Ein Vorteil für die SG könnte sein, dass sie im Gegensatz zu den Löwen am Mittwoch nicht im Einsatz war. „Die Pause hat uns gut getan, das war optimal. Meine Spieler sind fit und schnell auf den Beinen“, sagt Vranjes. Sofern man das vor dem 55. Saisonspiel überhaupt sagen kann.

Die Löwen kommen mit der Empfehlung von zehn Liga-Siegen in Folge in den hohen Norden – und wollen bei der SG noch eins draufsetzen. „ Mal sehen, was wir mitnehmen können“, gibt sich der sportliche Leiter Oliver Roggisch zuversichtlich. Und Trainer Nikolaj Jacobsen ist froh, dass Andreas Palicka beim 30:21 gegen den TVB Stuttgart nach seiner Handverletzung ein Comeback feierte. „Damit sind beide Torhüter wieder fit.“

Die letzten vier Duelle mit den Löwen seit Februar 2016 hat die SG für sich entschieden. Allerdings: Davor haben die Badener drei Mal in Folge an der Förde gewonnen. „Solche Statistiken interessieren mich nicht“, winkt Ljubomir Vranjes ab. Er richtet den Blick nur nach vorn. Beide Mannschaften kennen sich aus dem Effeff, da wird es schwer, den Gegner zu überraschen. „Schließlich kann man den Handball in einer Woche nicht neu erfinden“, gibt der Taktik-Tüftler zu. „Aber wir werden ein paar Kleinigkeiten ändern.“ Daneben wird für ihn Tagesform entscheiden. „Torhüter und Abwehr werden dabei eine große Rolle spielen.“

Deshalb ist Vranjes froh, dass Keeper Mattias Andersson rechtzeitig vor dem Meisterschaftsfinale zu alter Stärke zurückgefunden hat, nachdem er nach dem „Final Four“ in Hamburg in ein kleines Leistungsloch gefallen war. Am vergangenen Wochenende wehrte der „alte Schwede“ fast 50 Prozent der gegnerischen Würfe ab. „Es ist immer schön, wenn ein Torhüter gute Leistungen zeigt“, freut sich Vranjes, der bis auf Holger Glandorf alle Mann an Bord hat. Und die wollen ihren scheidenden Trainer, den es nach elfeinhalb Jahren Flensburg im Sommer nach Ungarn zu Telekom Veszprem zieht, nicht mit leeren Händen verabschieden – sondern mit der Meisterschale. Sonst würde der Coach, der mit der SG den Europapokal der Pokalsieger, den Supercup, den DHB-Pokal und die Champions League gewann, als der „Unvollendete“ in die SG-Geschichte eingehen.