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Vranjes nimmt Spieler in die Pflicht

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Zwei Tore Rückstand sind im Handball praktisch nichts. Aber gilt das für die SG Flensburg-Handewitt auch heute (19 Uhr/Sky live) im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League bei Vardar Skopje? Der Tabellenzweite der Handball-Bundesliga muss in der mazedonischen Hauptstadt mit drei Toren gewinnen, um nach dem 24:26 am vergangenen Wochenende zum zweiten Mal nach 2014 ins „Final4“ am 3./4. Juni in Köln einzuziehen. Nicht unmöglich, „aber hammerschwer“, wie Trainer Ljubomir Vranjes vor dem Abflug gestern Morgen zugab. „Wir müssen ein fast perfektes Spiel ohne Fehler abliefern.“

Die Stimmung an der Förde ist angespannt vor den entscheidenden Tagen dieser Spielzeit. Das ist deutlich zu spüren. Bei einem Ausscheiden in Skopje hätte die SG Flensburg-Handewitt nach der 23:29-Pleite im Pokalfinale gegen den THW Kiel innerhalb von 18 Tagen die zweite Titelchance verspielt. Und wenn drei Tage später auch noch das wichtige Bundesliga-Auswärtsspiel beim SC DHfK Leipzig (Sonntag, 15 Uhr) verloren ginge, wäre die ersehnte zweite Meisterschaft nach 2004 bei drei Punkten Rückstand auf die Rhein-Neckar Löwen so gut wie futsch. In diesem Fall erscheint sogar eine vorzeitige Freistellung von Vranjes nicht undenkbar, wie Gerüchte aus dem Umfeld der SG besagen.

Der Druck ist gestiegen. Auch beim Schweden, der in der Vergangenheit auch nach schwachen Vorstellungen stets seine schützende Hand über die Spieler hielt. Jetzt nimmt er seine Mannschaft öffentlich in die Pflicht. „Im Hinspiel hatten wir vor der Pause große Probleme mit der offensiven 5:1-Deckung von Vardar. Dabei wussten wir alles, haben es aber nicht geschafft, es umzusetzen“, analysierte der Trainer. „Und bis zur 43. Minute hatten wir fast keine Torhüter-Parade“, legte Vranjes schonungslos nach. Deshalb wurden Mattias Andersson („Er hat momentan nicht das Niveau, das wir von ihm gewohnt sind“) und Kevin Möller vor dem Abschlusstraining am Dienstag zu einem Dreier-Gespräch einbestellt, um dem Trainer „einiges zu erklären“. „Die Torhüter müssen wieder das Gefühl bekommen, dass die Abwehr alles für sie macht. Ohne sie wird es schwer zu gewinnen“, unterstrich Vranjes. Denn bis auf die ersten zehn Minuten hatte die Abwehr seiner Meinung „richtig gut gespielt“.

Zudem hatte der Trainer („Wir haben in der ersten Halbzeit nicht die Intensität und das Niveau von Vardar erreicht“) bei seinen Spielern Grundsätzliches vermisst, um im Viertelfinale der besten Mannschaften Europas erfolgreich bestehen zu können: Pure Leidenschaft, Kampfbereitschaft, Herz und den Willen, sich für den anderen aufzuopfern – so wie es der THW Kiel einen Tag später beim 28:26-Erfolg gegen den FC Barcelona demonstriert hatte. „Die Einstellung war da, aber ich verlange einen Schritt mehr. Und das müssen wir jetzt in jedem Spiel zeigen“, forderte der SG-Trainer. Das normale Limit reicht Vranjes nicht im Saison-Endspurt. Die Spieler müssen darüber hinausgehen, das letzte auch sich herausholen. „Wir müssen weiter arbeiten auf dem Weg, den wir eingeschlagen haben.“

Viel Neues erwartet der Flensburger Trainer im Rückspiel von Vardar nicht. „Es war nur wenig Zeit, um etwas zu ändern.“ Und dass Spielmacher Luka Cindric noch so eine glanzvolle Vorstellung zeigt wie in der Flens-Arena, hält der Trainer auch nicht für möglich. „Er hat in Flensburg ein fantastisches Spiel gemacht und in 60 Minuten nicht eine falsche Entscheidung getroffen. Aber zwei Spiele in Folge – das ist sehr schwer.“ Allerdings: Der Ex-Kieler Joan Canellas war im Hinspiel kaum einmal im Angriff zu sehen, und der hoch gelobte Igor Karacic saß die kompletten 60 Minuten auf der Bank. Hat Vardar-Coach Raul Gonzales noch etwas Überraschendes in petto?

Ob Johan Jakobsson im Rückspiel dabei sein wird, ist fraglich. Der schwedische Linkshänder war am vergangenen Sonnabend nach einem Schlag ins Gesicht nach 47 Minuten vorzeitig ausgeschieden. Der Verdacht auf eine erneute Gehirnerschütterung hat sich aber nicht bestätigt. „Die Ärzte sagen, dass es nicht so schlimm ist“, berichtete der Flensburger Coach. Sollte Jakobsson ausfallen, kommt der in der WM-Pause verpflichtete Ex-Gummersbacher Mark Bult zum Zug. Alle anderen SG-Akteure sind einsatzbereit.