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Telekom Veszprém

Es war wohl das spektakulärste Königsklassen-Endspiel aller Zeiten. 14 Minuten vor Schluss führte MVM Veszprém mit 28:19, der Anhang tobte voller Euphorie. Dann hatte der Kontrahent aus Kielce eine Initialzündung, rettete sich mit einem 9:0-Lauf in die Verlängerung und behauptete sich schließlich im Siebenmeterwerfen mit 39:38. Während der polnische Meister in Köln ein Freudenfest feierte, befand sich der ungarische Renommierklub im Tal der Tränen.

Als es durchwandert war, blickte die Klubführung mit neuer Schaffenskraft nach vorne. Mit dem neuen Namenspatron „Telekom“ war bereits vorher eine Einigung getroffen, nun wurde der Kader ausgeweitet und erhielt eine Breite, die in Europa einzigartig sein dürfte. Insgesamt 27 Spieler stehen zur Verfügung, 22 davon sind Nationalspieler. Damit reagiert der Verein aus der Nähe des Balatons auf eine Unzahl an Spielen. Neben der südosteuropäischen SEHA-League und der VELUX EHF Champions League muss Telekom Veszprém – nach einer zwischenzeitlichen Befreiung bis zu den Playoffs – auch wieder in der ungarischen Nationalliga antreten. Das macht unter dem Strich allein 54 Spiele in den Grundserien, weshalb Trainer Javier Sabate unermüdlich die Rotation anwirft.

Am 29. Mai war die Enttäuschung riesig.

Die Spielplangestalter haben keinen leichten Job, bisweilen wirkt die Terminierung notdürftig. Am Sonntag musste Veszprém in Weißrussland antreten und zitterte sich beim HC Meskov zu einem 19:16. Bereits am Dienstag gab es in anderer Besetzung bei der ungarischen Konkurrenz aus Komloi einen klaren Erfolg. Jetzt erfolgt der Einstieg in die VELUX EHF Champions League. Während die einheimische Spielklasse nur lästige Pflicht ist, warten in den anderen Wettbewerben die Herausforderungen. In der SEHA-League, die die Ungarn die letzten beiden Male gewann, setzte es bei Vardar Skopje bereits eine 22:29-Niederlage. Die größte Bedeutung wird aber der europäischen Königsklasse beigemessen. „Dafür trainieren wir extrem hart, härter als ich je mit einer Mannschaft trainiert habe“, erklärt Javier Sabate.

Der Triumph wäre die Krönung für das Jubiläumsjahr, denn exakt am 9. Januar 1977 wurde der Klub gegründet. Binnen drei Spielzeiten glückte der Durchmarsch von der Viert- in die Erstklassigkeit. Seitdem ist Handball in der 65000-Einwohner-Stadt so etwas wie eine Religion. Der Glaube wird durch 24 ungarische Meisterschaften, 25 ungarische Pokalsiege sowie den Europacup der Pokalsieger (1992, 2008) gespeist. Die infernale Geräuschkulisse in der 6000 Zuschauer fassenden „Veszprém Arena“ gilt als einer der „Hot Spots“ in der europäischen Ballwerfer-Zunft.

Momir Ilic.

Schon lange ist Telekom Veszprém ein international respektierter Verein, in jüngerer Vergangenheit erfolgte der Wandel vom Mitläufer zum Alpha-Tier. Dahinter steckt eine Neuregelung für die Sportförderung in Ungarn: Wenn Firmen heimische Klubs finanziell unterstützen, können sie die Summe fast komplett von der Steuer absetzen. Damit konnte Veszprém sein Budget aufstocken. Stars wie Laszlo Nagy, Momir Ilic, Aron Palmarsson, Andreas Nilsson, Mirko Alilovic oder Chema Rodriguez gingen ins Netz.

Im Gegensatz zu den letzten Jahren war der ungarische Champion eher auf eine Erweiterung aus. Der gefährliche Rechtsaußen Dragan Gajic (Montpellier) und der slowenische Kreisläufer Blaz Blagotinsek (Celje) spielten in der letzten Serie mit ihren Ex-Klubs in der FLENS-ARENA. Auch der flinke russische Spielmacher, der in der letzten Serie beim Bergischen HC aushalf, hat die Hölle-Nord-Luft schon einmal geschnuppert. Der große Kroate Marko Kopljar und der Ungar Gabor Ancsin ergänzten die Linkshänder-Fraktion im Rückraum, sodass für Kiel-Rückkehrer Christian Zeitz kein Platz mehr war.