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Ein Sieg für die Geschichtsbücher

(sh:z; Jan Wrege) Die Kieler Arena war komplett in Flensburger Hand. Auf dem Parkett regierte die SG Flensburg-Handewitt, auf Rängen gewannen ihre Fans die Oberhand: Die Gassenhauer „Oh, wie ist das schön“ oder „Einmal Flensburg, immer Flensburg“ bildeten den Soundtrack für einen historischen Handball-Moment. Bei den Anhängern des THW Kiel herrschte entsetztes Schweigen. Zum dritten Mal in Folge hatte der Rekordpokalsieger das Final Four in Hamburg verpasst, Titelverteidiger Flensburg ist am 30. April und 1. Mai zum sechsten Mal hintereinander dabei.

Der 34:27(18:15)-Erfolg im Viertelfinale war der erste in Kiel für die SG seit dem 28. Februar 2006. Da war noch keiner der aktuellen Spieler oder Trainer dabei. „Es ist ein großer Tag für uns. Besser kann man sich nicht fühlen“, beschrieb  Trainer Ljubomir Vranjes das neue Gemeinschaftserlebnis. Genugtuung und  Zufriedenheit prägten die Emotionen der Sieger, die noch in der Kabine weilten, als sich Halle und Parkplätze rundum längst geleert hatten. Sie ließen  nach der Handballschlacht von den Physios pflegen und genossen den Erfolg eher still. Statt Triumphgeheul  gab es eine sachliche Einordnung des Ereignisses, sogar etwas vorweihnachtliches Mitgefühl.

„Die Tagesform war sehr entscheidend. Wir waren klar besser, aber vielleicht nicht sieben Tore“, meinte Vranjes, und Kapitän Tobias Karlsson erinnerte daran, dass die SG zwei Wochen zuvor ebenso bedröppelt dagestanden hatte wie nun die Kieler: „Gegen die Rhein-Neckar Löwen haben wir es umgekehrt erlebt. Da lief bei uns nichts.“

THW-Manager Torsten Storm ahnte schon zur Halbzeit, dass es für seine Mannschaft nicht gut ausgehen würde: „Die anderen spielen gut, wir spielen schlecht – als wollten wir gar nicht nach Hamburg.“ Hinterher stellte er fest: „Selbst wenn wir etwas besser gewesen wären, hätten wir das Feld wohl als Verlierer verlassen.“

Die SG war in allen Belangen überlegen. Am auffälligsten war dies auf der wichtigsten Position: Torhüter Mattias Andersson war wie so oft gegen Kiel in Weltklasseform, unterstützt zudem von einer großartigen Abwehr, die die Schlichtheit des THW-Angriffskonzepts gnadenlos entlarvte. Auf der anderen Seite verzweifelten die Kieler Torhüter Niklas Landin und Nikolas Katsigiannis an  Flensburgs Linkshändern. Dass Holger Glandorf an einem Top-Tag aus dem Rückraum fast alles trifft, wäre ja noch zu verschmerzen, doch was Rechtsaußen Lasse Svan aus spitzesten Winkeln verwandelte, tat richtig weh. „Das war eine unglaubliche Leistung unseres Angriffs“, sagte Tobias Karlsson. „Wir haben den Angriff so breit auseinander gezogen, dass es für den THW sehr schwierig war, das zu decken.“

In der zweiten Halbzeit geriet die Partie gar zu Demütigung für die Zebras. „Wir haben ein paar Fehler abgestellt und trotzdem unser Tempo behalten“, meinte SG-Linksaußen Anders Eggert, der allerdings die sieben Tore Differenz relativierte: „Der THW musste am Ende volles Risiko gehen. Das hat nicht geklappt, und deswegen wurde es so deutlich. Uns ist das ja auch im Champions-League-Spiel hier passiert.“

Unter dem Strich sorgte der Ausgang des Viertelfinales für ein Stück Gerechtigkeit: Der THW streicht die Einnahmen aus der ausverkauften Ostseehalle ein und muss nur 7500 Euro Spesen an die SG überweisen. Dafür erwarten die Flensburger nun rund 120000 Euro aus dem Final-Four-Topf. Bitter für Kiel und Dominik Klein: Der Linksaußen, der gerade erst sein Comeback gegeben hatte, zog sich eine Kreuzbandzerrung zu und fällt in den restlichen Spielen des Jahres aus.