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Herausforderer setzt ein Signal

(sh:z; Jan Wrege) Ein Geheimfavorit war die mächtig aufgerüstete SG Flensburg-Handewitt schon lange nicht mehr, doch nach dem ersten Gipfeltreffen mit dem THW Kiel dürfte endgültig klar sein, dass der Weg zum Titel in der Handball-Bundesliga in dieser Saison  über den Meister von 2004 führt. Mit dem 30:25 (15:12)-Sieg  über den Rekordchampion setzte der Herausforderer vor 6300 begeisterten Fans in der ausverkauften Flens-Arena ein  unübersehbares Signal. „Der Sieg war verdient. Die SG war besser, wir haben zu viele Fehler gemacht“, räumte THW-Manager Thorsten Storm ein.

SG-Trainer Ljubomir Vranjes hatte schon am Freitag verdächtig gute Laune demonstriert, wohl in der Überzeugung, gegen die  vermeintlich Unbesiegbaren (saisonübergreifend 37:1 Punkte in Folge) einen guten Plan zu haben. Gestern erlebte er, wie fast alles aufging: „Wir haben mit großer Disziplin in Angriff und Abwehr gespielt, wenig technische Fehler gemacht und fast immer zwei oder drei Tore Vorsprung  gehalten. Mattias Andersson stand sehr gut und hatte wichtige Paraden, wenn wir in Unterzahl waren“, resümierte Vranjes.

Das Plus im Tor war wie schon bei den vorangegangen drei Derby-Heimsiegen ein bedeutender Faktor für Flensburg. Kiels Nummer eins Niklas Landin hielt gar nichts, Nikolas Katsigiannnis blieb mit sechs abgewehrten Bällen deutlich hinter Andersson (15/1) zurück. „Um in Flensburg zu gewinnen, müsste die Torhüterleistung zumindest ausgeglichen sein“, meinte Storm.

Der THW hatte den etwas besseren Start, führte 3:1 (6.), aber dann schon zum letzten Mal beim 6:5 (13.). Der folgende Treffer von Anders Eggert zum 6:6 markierte bereits den letzten Gleichstand in der Partie. Danach lag nur noch die SG vorn. Zwar gelang es dem Meister, Torgefahr aus dem Flensburger Rückraum weitgehend zu unterbinden. Gegen die SG-Flügelzange war der THW jedoch komplett machtlos. Eggert und Lasse Svan trafen nach Belieben, mehrfach auch von Holger Glandorf brillant assistiert. „Dass die Außen alles treffen, hat es für uns einfacher gemacht. Die Kieler mussten dadurch breiter in der Abwehr stehen“, sagte SG-Spielmacher Thomas Mogensen.

Die 3-2-1-Abwehr der Kieler funktionierte wie schon im Supercup nicht gegen Flensburg. Der SG-Angriff lief Hochgeschwindigkeits-Slalom in dieser sehr offensiven Formation, die THW-Deckung bekam kaum Zugriff auf die Gegenspieler. Trainer Alfred Gislason  reagierte, stellte auf 6:0 um, doch darauf waren die Gastgeber besser vorbereitet als bei der 26:27-Niederlage vor zweieinhalb Wochen in Stuttgart.
Mit Geduld und Präzision  spielten die Flensburger auch die defensive Kieler  Abwehr auseinander. „Bei unseren Spielzügen  legen wir nicht fest, von wo geworfen wird, sondern gucken, wo die beste Möglichkeit entsteht“, erklärte Lasse Svan, „heute waren es meistens die Außenpositionen, nächstes Mal sind es vielleicht wieder die Halben. Gut war heute, dass wir nicht die erste halbe Chance genommen haben.“

Spielerisch hatte die SG eindeutig das bessere Konzept. Dass die Partie dennoch bis zur 55. Minute (26:24 für Flensburg) nicht entschieden war, lag an der nach wie vor überragenden  individuellen Klasse der Kieler. Wenn nichts mehr zu gehen schien, die Zeitnot drohte, kamen Aktionen von Linkshänder Marko Vujin oder Spielmacher Domagoj Duvnjak wie aus dem Nichts. Geringste Nachlässigkeiten im Flensburger Angriff wussten die Kieler  immer noch blitzschnell per Konter zu bestrafen.

Etwas demoralisierend mag auf die Gäste gewirkt haben, dass sie aus Überzahlsituationen kaum Profit schöpfen konnten. Die Flensburger haben das Spiel ohne Torwart mit Extra-Angriff (Lauge oder Mogensen) weit entwickelt und wichtige Tore  erarbeitet. „Wir sind in Unterzahl immer cool geblieben. Es ist voll aufgegangen, was wir uns vorgenommen hatten“, stellte Holger Glandorf zufrieden fest. Dennoch mahnte der Linkshänder, „die Kirche im Dorf“ zu lassen. „Wir können manches besser machen. Nach dem dritten Spiel muss man ruhig bleiben.“ Ähnlich äußerte sich Kiels Geschäftsführer Storm: „Die Bundesliga ist noch frisch. Wir müssen uns jetzt steigern und dann gibt es ja auch noch ein Rückspiel.“