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Erst große Not, dann eine Gala

(sh:z; Jan Wrege) Aus der Champions League ist die SG Flensburg-Handewitt ausgeschieden, doch sie sorgt weiter für die derzeit größte Show im deutschen Handball. Das Bundesligaspiel gegen Göppingen pflegt für gewöhnlich nicht aus dem Alltag herauszuragen, entwickelte sich diesmal aber zu bester Unterhaltung. Eine abenteuerlich anmutende Abwehr in der Startphase brachte die Flensburger erst  in Not, aber dann wurde der Tabellen-Fünfte dank zweier unvermuteter Matchwinner mit 34:27 weggefegt.

Dass kurzfristig wieder der Ausfall einer Spitzenkraft zu verzeichnen war, nimmt man bei der SG mittlerweile schon gelassen. „Sonntag in Kiel haben wir noch Scherze gemacht. Thomas, geh nicht zu deinen Kindern, du steckst dich auch noch an, haben wir gesagt“, berichtete Lasse Svan lächelnd von einem guten Rat an Spielmacher Mogensen.

Mittwoch früh war es so weit. Der Däne musste ebenso wie zuvor schon Tobias Karlsson, Anders Zachariassen und Lars Kaufmann mit hohem Fieber im Bett bleiben. Das Trio war gegen Göppingen wieder am Start, jedoch fehlte wie befürchtet auch Linkshänder Johan Jakobsson wegen einer Adduktorenverletzung.

Wieder musste Trainer Ljubomir Vranjes improvisieren. Weil Jakobsson als Halbverteidiger ausfiel, löste er den gewohnten 6:0-Deckungsverband auf und ließ eine recht offensive 5:1-Formation mit Ahmed Elahmar als „schiefer“ Spitze agieren. Und nachdem zuvor der sonst höchst zuverlässige Trompeter Marquardt Petersen bei seiner Fanfare zum Fan-Zeremoniell einen schiefen Ton getroffen hatte, sah danach auch das Wirken der SG-Defensive nicht sehr harmonisch aus.

„Ahmed ist nicht der Stärkste in einer 6:0, wir mussten ja was Neues machen“, meinte Svan, „aber wir waren etwas nervös. Göppingen hatte zu viel Platz.“ Vranjes nahm den Ägypter in Schutz: „Ahmed hat es sehr gut gemacht, aber die anderen nicht. Da war keine Aggressivität, kein Körperkontakt, wir haben keinen Zweikampf gewonnen. Torwart Mattias Andersson hat keine Unterstützung bekommen.“

Mit fünf Toren zogen die Gäste davon, bevor sich die Reihen der SG endlich schlossen. Im Tor stand nun Kevin Möller, vor ihm wieder ein 6:0-Verband, in dem sich alle wesentlich wohler fühlten. Als der Däne warmgelaufen war, gab es für Göppingen nichts mehr zu holen. Möller begeisterte mit Paraden gegen freie Würfe aus kürzester Distanz, zwei- und sogar dreimal in kurzer Folge und wie Andersson kann er auch scharfe Würfe fangen. Am Ende kam der 25-Jährige auf die irre Quote von 63,3 Prozent gehaltener Bälle.

„Ach? Das ist eine schöne Quote“, staunte Möller, „das war meine erste richtig gute Leistung hier, bei der wir auch gewonnen haben. Ich bin stolz und richtig zufrieden. Das Einzige, was noch gefehlt hat, war ein gehaltener Siebenmeter.“ Möller räumte aber auch ein, dass er es leichter hatte als Andersson. „Alles hat besser funktioniert, Abwehr und Angriff. Mattias hatte nicht die gleichen Voraussetzungen wie ich.“

Am Ende wurde der Torwart mit „Kevin-Möller“-Sprechchören gefeiert. „Ein Traum, so was zu erleben. Daran werde ich mich immer erinnern“, sagte der Däne. Geschäftsführer Dierk Schmäschke empfand ein Stück Genugtuung in harten Zeiten: „Das hat Kevin schon in Dänemark gezeigt. Deswegen haben wir ihn geholt.“

Und noch ein SG-Akteur, dem man es besonders gönnt, hatte einen großen Auftritt. Fast allein warf Lars Kaufmann den ersten beruhigenden Vorsprung der Flensburger nach der Pause heraus. Seine Bälle rauschten nur so an Primoz Prost im Göppinger Tor vorbei, das war wieder der spektakuläre Kaufmann-Strahl. Mit ihm fanden auch die Kameraden wieder zur lang vermissten Leichtigkeit. „Das war kein Kampf mehr in der zweiten Halbzeit. Wir haben richtig gut gespielt“, stellte Lasse Svan fest.

Beruhigend auch, dass Spielmacher Jim Gottfridsson wieder dabei ist. Er spielte lange, er spielte gut. „Ich bin noch nicht wieder so schnell wie letztes Jahr. Aber das kommt bald. Es tut nichts mehr weh“, sagte der junge Schwede, der beim zweiten Einsatz nach seinem Comeback den Angriff mit viel Übersicht steuerte. Indes wird Johan Jakobsson wohl noch auf unbestimmte Zeit fehlen. „Es fühlt sich an wie letztes Mal“, sagte der Linkshänder mit Blick auf die Adduktorenverletzung, die ihn wochenlang lahm gelegt und zum WM-Verzicht gezwungen hatte. „Wir müssen jetzt abwarten, bis die Blutung heraus ist und dann weitersehen.“