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Die Unglaublichen

(sh:z) Der Nikolaus hat es gut gemeint mit der SG Flensburg-Handewitt. Der Titelverteidiger ist nach dem 24:18-Erfolg bei der MT Melsungen zum sechsten Mal in der Vereinsgeschichte die Herbstmeisterschaft nicht mehr zu nehmen und nähert sich der perfekten Hinrunde. Ein Sieg im nächsten Heimspiel gegen den Bergischen HC – und die SG würde in der über 50-jährigen Bundesliga-Historie erst als dritter Klub nach dem TBV Lemgo (2002/3) und dem THW Kiel (2011/12) die erste Saisonhälfte mit makellosen 34:0 Punkten abschließen. „Diese Serie wollen wir natürlich so lange ausbauen, wie es geht“, sagt Maik Machulla. „Manchmal muss ich mich selbst kneifen angesichts der Top-Leistungen, die meine Mannschaft Woche für Woche abliefert.“

Natürlich weiß der SG-Trainer, dass in einigen wenigen Fällen auch etwas Glück im Spiel war. Wie zuletzt beim unfreiwilligen Krimi gegen die HSG Wetzlar. Am Donnerstag agierte der Spitzenreiter wieder souveräner – auch wenn auf dem Messegelände in Kassel nicht alles nach Plan lief. Die SG wollte eigentlich angesichts der Personalnot bei der MT Melsungen, die auf fünf Offensivkräfte verzichten musste, auf das Gaspedal drücken. Doch schon nach 19 Minuten musste Rasmus Lauge seine zweite Zeitstrafe abbrummen und wurde vorsichtshalber von der Deckungsarbeit befreit. „Da musste ich mehr wechseln, sodass wir nicht mehr so schnell von der Abwehr auf den Angriff umschalten konnten“, erklärte Maik Machulla.

In dieser Phase griff auch Johannes Golla ins Geschehen ein. Sein Trainer ging lange Zeit damit schwanger, den 21-jährigen Kreisläufer an seiner alten hessischen Wirkungsstätte schon von Anfang an zu bringen. Zur Mittagszeit beriet sich Maik Machulla noch einmal mit seinem Assistenten Mark Bult. „Aufgrund der Trainingswoche und der guten Leistungen hätte er es verdient“, war sich das Duo einig. „Aber er ist noch so jung, könnte mental mit der Situation überfordert sein und überdrehen.“ So tauchte Johannes Golla erst nach 20 Minuten auf dem Spielfeld auf und meldete sich gleich mit zwei Treffern. Maik Machulla war begeistert: „Bei Johannes habe ich immer den Eindruck, dass er schon viel länger als ein halbes Jahr bei uns ist. Er macht jede Woche Fortschritte.“

Für den Gelobten selbst war es definitiv ein ganz besonderer Bundesliga-Trip, dessen Charakter sich schon entfaltete, als die SG am Mittwoch per Zug eintraf und zum Hotel weiterfuhr. Kassel bei Nacht hatte der junge Kreisläufer seit sechs Monaten nicht mehr gesehen. „Es ist schon toll, viele alte Bekannte wiederzutreffen“, sagte Johannes Golla, während ihm die früheren Teamkollegen Finn Lemke und Felix Danner zur „Riesenleistung“ gratulierten. Der erfolgreiche Rückkehrer nannte einen anderen Matchwinner: „Benko“, wie Benjamin Buric in Spielerkreisen gerufen wird. Mit 15 Paraden hatte der SG-Schlussmann die Nase vorn im Torhüter-Duell und zog den Melsungern den Zahn. „Das war eine grandiose kämpferische Leistung meiner Mannschaft – sie hätte aber vorne praktisch alles treffen müssen, um gegen die SG wirklich gewinnen zu können“, meinte MT-Coach Heiko Grimm. „Aber hinten steht ein Torwart, dessen Job es ist, uns die Würfe abzukaufen.“

Spätestens nach 40 Minuten bewegten sich die Nordlichter auf souveränen Bahnen. Einen Schreckmoment gab es noch. Der von Felix Danner ausgefahrene Unterarm landete mitten im Gesicht von Magnus Röd. Am gestrigen Freitag wurde in Flensburg untersucht, ob auch ja nichts gebrochen ist. Dann hatte auch der norwegische Linkshänder ein freies Wochenende, für die meisten das erste seit der Vorbereitung im August. „Meine Jungs sollen auch mal Zeit für Frauen und Kinder haben“, sagte Maik Machulla kurz vor der Abfahrt aus Kassel. „Ab Montag beginnt eine volle Trainingswoche.“ Für 2018 stehen noch sechs Punkte gegen den Bergischen HC, GWD Minden und die Eulen Ludwigshafen auf der To-Do-Liste.