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Sieg für Kiel, Schock für Flensburg

(sh:z; Jan Wrege) Auch im Süden das bekannte Bild am Ende des Nordklassikers: Kieler im Konfettiregen, etwas abseits im Dunkeln bedröppelte Flensburger. Seit dem Pokalfinale im Mai in Hamburg hat sich an den Kräfteverhältnissen im deutschen Handball nichts geändert.   Der Triple-Gewinner THW Kiel fügte seiner kaum noch überschaubaren Titelsammlung mit  dem 29:26 (14:14)-Erfolg gegen die SG Flensburg-Handewitt in der Münchner Eissporthalle auch den Super Cup 2012 hinzu.

Viel ärger traf es den Vizemeister jedoch abseits des sportlichen Resultats. Für einen Hoffnungsträger ist die Saison schon gelaufen. Petar Djordjic zog sich in der 42. Minute einen Riss des vorderen Kreuzbands im rechten Knie zu. Der Verdacht, der sich Beobachtern angesichts der TV-Bilder aufdrängte, bestätigte sich gestern durch eine MRT-Untersuchung. SG-Teamarzt Dr. Thorsten Ahnsel rechnet mit mindestens sechs Monaten Pause für den 21-Jährigen. Der Arzt schloss nicht aus, dass der auf Eis verlegte, wellige Boden eine Rolle bei dem Unfall gespielt hat.

Der Ausfall des Halblinken bedeutet einen herben Dämpfer für die Ambitionen der Flensburger, am Status der "Unbezwingbaren" zu kratzen. "Das ist ein wirklich harter Schlag. Es tut mir für Petar besonders leid, da er in der vergangenen Saison und aktuell einen besonderen Entwicklungsschub gemacht hat. Ich leide mit ihm", sagte Trainer Ljubomir Vranjes, der nur noch zwölf erfahrene Akteure und zwei Youngster zur Verfügung hat - eine bedenklich dünne Besetzung. Vranjes will dies kompensieren, indem er seine Akteure noch flexibler einsetzt: "Sie müssen mehr Positionen spielen können und sich darauf auch mental so schnell einstellen können, dass es nicht drei oder vier Minuten dauert."

Solche Sorgen sind den Kielern fremd. Trainer Alfred Gislason hat seine Positionen doppelt bis dreifach mit internationaler bis Weltklasse besetzt. Ganz so rund wie in der Vorsaison läuft die Siegmaschine aber noch nicht. "Ungewöhnlich viele Fehler", registrierte der Isländer, "wir haben noch viel Arbeit vor uns, um unseren Rhythmus zu finden." Mit Blick auf die vier Neuzugänge und  die wegen Olympia verkürzte Vorbereitung sei es aber "kein Wunder, dass die Mannschaft noch nicht so eingespielt ist". Glänzend führte sich jedoch der neue Linkshänder Marko Vujin ein. Mit neun Toren unterstrich der Serbe, dass er bald aus dem langen Schatten von Kim Andersson treten will. Dazu muss Vujin, der in Veszprem ausschließlich als Schütze beschäftigt war, auch Abwehr lernen. Erste Erfolge registrierte Kollege Dominik Klein: "Marko hat sich tierisch gefreut, dass er den ersten Ball seines Lebens geblockt hat."

Unterdessen wurden die Flensburger von unterschiedlichsten Gefühlsaufwallungen bewegt. Da war der Schock über das Schicksal des Kameraden, der im Spiel einen deutlichen Bruch verursachte. Gemischt mit dem Ärger, dass der Favorit zu leicht davon gekommen war, und mit Stolz darüber, dass man sich aus hoffnungslosem 21:26-Rückstand wieder herangekämpft hatte. "Wieder waren es ein paar einfache Fehler von uns, die Kiel ein, zwei Tore Vorsprung brachten, wo es nicht notwendig war", sagte SG-Torhüter Mattias Andersson. "Wir haben aber auch gezeigt, dass wir sehr nah dran sind und dass uns der THW nicht selbstverständlich schlägt."

Schließlich gab es doch noch Grund zur Freude bei den Flensburgern. Im ersten Pflichtspiel seit der schweren Verletzung vor vier Monaten erreichte Holger Glandorf besonders in der hitzigen letzten Viertelstunde fast wieder das gewohnte Level. Sechs Tore gegen die weltbeste Mannschaft zeigen, dass der Linkshänder wieder da ist. "Ich werde jetzt nicht in Euphorie ausbrechen. Es war wieder ein Schritt nach vorn, aber einige Körner fehlen mir noch."