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Furiose Flensburger führen THW vor

(sh:z; Jan Wrege) Die Sensation ist perfekt: Mit einer ungeheuerlichen Energieleistung hat die ersatzgeschwächte SG Flensburg-Handewitt den THW Kiel in Bestbesetzung in die Schranken gewiesen und dem Titelverteidiger die zweite Niederlage der Saison in der Handball-Bundesliga beigebracht. Das 35:29 (19:14) war gleichzeitig der erste Flensburger Erfolg nach 14 Derby-Niederlagen in Folge seit September 2007. "Wir haben geglaubt, wir haben den Mut gehabt - so einfach ist das", sagte ein hochzufriedener SG-Trainer Ljubomir Vranjes.

So einfach war es natürlich nicht. Die Flensburger vollbrachten den Kraftakt mit nur acht Feldspielern und einem überragenden Mattias Andersson im Tor, der mit 24 Paraden, darunter vier Siebenmeter, beinahe Übermenschliches leistete. Dreieinhalb Stunden hatten sich die Gastgeber am 1. Weihnachtstag akribisch vorbereitet, Videos studiert und taktische Schachzüge geprobt. Heraus kam ein Team, das dem Triplegewinner in allen Belangen überlegen war. Sogar der THW selbst hatte die letzten Derbys nicht in dieser Deutlichkeit dominiert, wie es die SG gestern demonstrierte. Gnadenlos entlarvten die Flensburger die spielerischen Mängel des THW, dem diesmal seine hochbezahlten Kanoniere nicht zum Sieg verhelfen konnten.

"Wir hatten von der ersten Minute an das Gefühl, dass heute etwas geht", sagte Kreisläufer Jacob Heinl, "Abwehr und Torwart waren voll da, vorn haben wir die Tore gemacht - einfach alles hat gepasst." Die SG startete furios mit einem 5:1 und ließ die Kieler danach nur noch auf 5:3 und 6:4 herankommen, alle weiteren Führungen fielen fortan deutlicher aus, gipfelnd im Neun-Tore-Vorsprung nach 50 Minuten. Da war das Duell von Meister und Vizemeister bereits entschieden. Der Rest war ein Schaulaufen vor einer entfesselten Kulisse. Die ausverkaufte Flens-Arena habe der Mannschaft extra Energie verliehen. "Du vergisst einfach, dass du müde wirst", sagte Heinl.

Die Kieler konnten dagegen nach Belieben wechseln. Sehr früh schickte Alfred Gislason fast alle Akteure auf die Platte, was nicht immer planvoll wirkte. Das Vorhaben, die Gastgeber am Ende kräftemäßig in die Knie zu zwingen, schlug fehl. Stattdessen kam der THW in ständig neuen Formationen nie in Schwung, auch Keeper Omeyer reichte bei weitem nicht an die Leistung von Andersson heran. "Wir waren in Abwehr und Angriff nicht so aktiv auf den Beinen. Dadurch hatten wir Schwierigkeiten gegen die aggressive Flensburger Deckung", sagte Filip Jicha, mit neun Treffern noch der beste Kieler Werfer. "Und wenn wir in Wurfposition kamen, stand da Mattias Andersson."

Die SG zog schon in der ersten Halbzeit auf acht Tore davon (17:9, 25. Minute), und es hätten sogar noch mehr sein können. Sieben technische Fehler und einige vergebene Topchancen, sorgten dafür, dass die Kieler bei Halbzeit mit fünf Toren Rückstand noch halbwegs in Schlagdistanz lagen. Aber auch nach Wiederbeginn blieb diesmal der gefürchtete Kieler Zwischenspurt aus. Bereits im Pokal, im Supercup und im Auswärtsspiel im November hatte die SG gut ausgesehen, um dann doch in wenigen Minuten alles aus den Händen gleiten zu lassen. "Diesmal haben wir hart dafür gekämpft, Kiel diesen Lauf von vier, fünf Toren nicht zu erlauben", sagte Abwehrchef Tobias Karlsson, der zusammen mit Jacob Heinl und Michael Knudsen auch die THW-Kreisläufer weitgehend neutralisierte. So setzte sich der Vizemeister Zug um Zug ab, zumal in den zweiten 30 Minuten auch Holger Glandorf nicht mehr zu halten war. Abwehränderungen (von 5:1 auf 6:0 und zurück) und auch ein Torwartwechsel halfen Gislason nicht mehr. Er musste frustriert mit ansehen, wie die SG unerschütterlich ihr Terrain verteidigte. "Flensburg stand sehr gut in der Abwehr, dadurch haben wir uns viele Tempogegenstöße gefangen", sagte der Isländer. "Wir waren einfach nicht gut genug - da ist es dann das Normalste auf der Welt, dass man gegen den Tabellendritten verliert."