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VfL Gummersbach

Die zuverlässigste Bundesliga-Mannschaft auf europäischem Parkett der Gegenwart ist nicht etwa der THW Kiel, sondern der VfL Gummersbach. Die Westdeutschen tummelten sich in den letzten Jahren zwar nicht in der starken Champions League, sondern in den etwas molligeren anderen Klub-Wettbewerben – dennoch gebührt ihrer Erfolgsbilanz einen großen Respekt. Seit der Serie 2007/8, als in der Königsklassen-Hauptrunde Schluss war, kennen die Oberbergischen nicht das internationale Wort für „Scheitern". Unter Trainer Sead Hasanefendic zauberten sie einen lupenreinen Hattrick. 2009 gewann der VfL den EHF-Cup, dann ließ er zwei Mal den Europacup der Pokalsieger folgen. Gorenje Velenje, BM Granollers und Tremblay Handball hießen die Final-Gegner. Nun steht Gummersbach – etwas glücklich, da gegen Celje nur die mehr erzielten Auswärts-Tore halfen – erneut in den Endspielen.

Die Erfolge der jüngsten Vergangenheit sind für viele so etwas wie das Comeback eines Klubs, der einst als bester seiner Zunft galt. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Handball-Welt. Vor allem die Epoche zwischen 1967 und 1991 ist legendär. Die zwölf deutschen Meisterschaften und fünf Siege im europäischen Landesmeister-Wettbewerb (1967, 1970, 1971, 1974, 1983), dem Vorgänger der Champions League, bauten einen Kult auf, den Spieler-Persönlichkeiten wie Heiner Brand, Erhard Wunderlich, Jo Deckarm oder Andreas Thiel verstärkten.

In den letzten beiden Dekaden gab es aber auch eine Menge Tiefschläge. 18 Jahre ohne Titel, zeitweise Abstiegskampf und existenzielle Sorgen um die Zukunft. 2000 half nur ein Gnadengesuch, die Lizenz auf dem letzten Drücker zu erhalten. Auch im letzten Frühjahr musste der Traditionsklub hart um den Abbau von Schulden kämpfen. Zunächst verweigerte die HBL die Lizenz zur Teilnahme am Spielbetrieb – aufgrund erheblicher Zweifel an der erforderlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es klaffte eine Liquiditätslücke in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Diesen Engpass schlossen Fans und Förderer binnen einer Woche – und die HBL gab doch noch grünes Licht. „Das zeigt: Die Stadt, die ganze Region steht hinter dem VfL”, sagte ein stolzer Manager Axel Geerken.

Ein weiterer Sieg folgte im Laufe des Sommers. Die Finanzierung einer neuen Spielstätte in Gummersbach steht. Das Land Nordrhein-Westfalen wird den Bau einer 10,4 Millionen Euro teuren Multifunktionshalle mit 4,5 Millionen Euro bezuschussen. Von der Saison 2013/14 an will der Klub seine Heimspiele in der 4000 Zuschauer fassenden Schwalbe-Arena austragen. Die altehrwürdige Eugen-Haas-Halle fasst nur knapp 2000 Zuschauer, ist nur bedingt erstligareif und noch nicht für die kommende Spielzeit von der HBL als Spielstätte zugelassen worden.

Sportlich musste der VfL Gummersbach in dieser Saison eine tiefe Talsohle durchwandern. Zu Weihnachten stand er auf einem Abstiegsplatz. Das 27:43 in der Flensburger Campushalle ereignete sich im Spätherbst: Der Tiefpunkt: die 25:40-Schlappe beim TuS N-Lübbecke. Nach einer knappen Viertelstunde hatte es 0:11 gestanden. „Wir haben schlechter als ein Junior-Team gespielt", zürnte Sead Hasanefendic. Der Coach musste bald darauf gehen und wurde durch Emir Kurtagic ersetzt.

Ganz unerwartet kam der Absturz nicht. Die dramatische Situation im Frühjahr hatte ihre Spuren hinterlassen, der Gürtel musste enger geschnallt werden. Mit Stammkeeper Goran Stojanovic, Rückraum-Stütze Drago Vukovic, Abwehrsäule Geoffrey Krantz und Linksaußen Adrian Wagner verließen gleich vier Stammkräfte den VfL. In der Rückrunde ging es aber spürbar aufwärts. Mit 19:9 Punkten sind die Oberbergischen das fünftbeste Team der Rückrunde, von Rang 16 sprangen sie auf Platz zehn. Sogar Siege bei den Rhein-Neckar Löwen, in Lemgo oder in Göppingen wurden möglich.  Auch ein Transfer half: Der Mazedonier Borko Ristovski löste das herrschende Torhüter-Problem. Er ist im Europapokal allerdings nicht spielberechtigt.