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SG wittert Morgenluft

(Flensborg Avis; Volker Metzger) Es ist angerichtet: Wenn heute Abend in der mit gut 13.000 Zuschauern restlos ausverkauften O2 World in Hamburg das Nordderby zwischen dem HSV Hamburg und der SG Flensburg-Handewitt um 20.15 Uhr angepfiffen wird (live auf Sport 1), blickt ganz Handball-Deutschland an die Elbe. Wieder einmal ist es ein Gipfeltreffen, das unter ganz besonderen Vorzeichen steht, wieder einmal geht es um weitmehr, als nur um zwei Zähler.
Der HSV, der amtierende Deutscher Meister, steht nach den Niederlagen gegen die Füchse Berlin und Rhein-Neckar-Löwen schon mächtig unter Druck, schließlich soll der jetzt schon beachtliche Rückstand auf Spitzenreiter THW Kiel unter keinen Umständen noch weiter anwachsen. Belastung Nummer zwei - der HSV hat nicht nur mit Verletzungssorgen zu kämpfen, sondern ist zumindest in der Bundesliga noch weit von seiner Meisterform entfernt. Eine Pleite gegen den Erzrivalen von der deutsch-dänischen Grenze und dann auch noch im heimischen Tempel hätte sicherlich auch erste personelle Konsequenzen.
Darüber will Per Carlén, der ehemalige SG-Trainer und seit dem Sommer HSV-Coach, aber nicht nachdenken. "Es ist gut für uns das dieses Spiel jetzt kommt. Gegen Constanta haben wir viel Selbstvertrauen getankt, und jetzt wollen wir zeigen, dass wir auch in der Liga zu unserer Form finden. Auf der anderen Seite wird sich Flensburg sicherlich sagen, dass die Chance nie so groß wie jetzt ist, um in Hamburg zu gewinnen. Sie haben natürlich unsere Schwierigkeiten mitbekommen. Ich hoffe jedoch das die 02 Arena, unsere Festung, den Unterschied ausmachen wird."
Die SG als Herausforderer spukt allerdings nur leise Töne. Zwar wittert man im Lager des Tabellenvierten nach einer Serie von fünf Siegen in Folge für das Abenteuer in der Millionenmetropole reichlich Morgenluft, an der üblichen Rollenverteilung will man allerdings nicht rütteln. "Wir fahren zum Deutschen Meister, der zudem in seiner eigenen Halle spielt. Keine Frage, der HSV ist Favorit", betont Dierk Schmäschke. Der SG-Geschäftsführer zeigt sich am Vortag schon "emotional" ergriffen, freut sich diebisch auf seine Rückkehr an seine ehemalige Wirkungsstätte. "Mal sehen, wir wollen das bestmögliche für uns herausholen. Auf alle Fälle wünschen wir uns einen besseren Auftritt, als zum Saisonstart in Kiel."
In der Tat hatten die Nordlichter schwer an der schmerzhaften Auftakt-Pleite in Kiel (21:35-Niederlage) zu knabbern. Erst am letzten Sonnabend - fünf durchweg erfolgreiche Spieltage später - konnte beim verdienten 36:30-Heimsieg schließlich auch das arg ramponierte Torverhältnis wieder in den positiven Bereich geworfen werden. "Für uns ist es die zweite Standortbestimmung", weiß Schmäschke, "wir sind gut drauf und vor allem gut vorbereitet." Erwischt der Meister von 2004 den Meister von 2011 sogar auf dem falschen Fuß? Dazu Schmäschke vielsagend: "Wir fahren Ergebnis offen nach Hamburg."
Für Ljubomir Vranjes hat der Auftritt im Hamburger Handball-Mekka ebenfalls mehrere Bedeutungen. Als Nachfolger von Per Carlén juckt es den Schweden sicherlich ganz gewaltig, seinen Premieren-Auftritt als SG-Coach mit einem Husarenstreich zu krönen.
Allerdings hat der Taktik-Fuchs aus den Erfahrungen vom Kiel-Spiel gelernt und gibt sich im Vorfeld betont zurückhaltend: "Ich konzentriere mich auf die Entwicklung meiner Mannschaft. Das geschieht unabhängig vom Spielplan. Wir fahren aber nicht als Favorit dorthin."
Seit der Kiel-Klatsche schmiedet Vranjes jedenfalls eifrig an einer Stammformation, die es mit den stärksten der Liga aufnehmen soll. Schließlich soll sich das THW-Debakel nirgendwo wiederholen, auch nicht heute Abend in Hamburg. Als Speerspitzen dienen der SG in erster Linie Toptorjäger Holger Glandorf, die Keeper Mattias Andersson und Søren Rasmussen, Allrounder Michael V. Knudsen, Spielmacher Thomas Mogensen und mit Abstrichen auch die dänische Flügelzange Anders Eggert und Lasse Svan Hansen.
Sollte nun auch noch bei Lars Kaufmann der Knoten platzen, hätte Vranjes sicherlich sein Etappenziel schon erreicht. Auf die Abwehr mit "Fels" Tobias Karlsson ist ja ohnehin Verlass. Sollten sich zudem auch noch einige SG-Akteure aus der "Stamm-Peripherie" - wie Jacob Heinl, Tamás Mocsai, Petar Djordjic zur Höchstform zu steigern wissen, ja dann und wohl auch nur dann kann aus einem ereignisreichen zugleich auch ein erfolgreicher Auftritt für die SG in der O2 World erwachsen.