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Bundesliga: 36:30 gegen HSV - Theater-Inszenierung mit „Zugabe"

Ein solch verrücktes Spiel hat die Campushalle lange nicht mehr gesehen. 20 Minuten lang roch es nach einer „einzigen Katastrophe“, dann beförderte sich die SG Flensburg-Handewitt mit voller Wucht zurück in die Herzen ihrer Fans. Mit dem 36:30 (16:18) untermauerte der Tabellenzweite seine Position in der Bundesliga. Die Zuschauer bedankten sich wie nach einer gekonnten „Theater-Inszenierung“ – mit Zugabe-Rufen. SG-Trainer Kent-Harry Andersson schmunzelte: „Wir bieten unseren Fans eine gute Unterhaltung. Zunächst die Spannung gegen Nordhorn – und nun dieses komische Spiel.“
Eine Aussage, die einen Journalisten zu einer humorvollen Nachfrage veranlasste. Wie lange soll dieses „Unterhaltungsprogramm“ denn noch weiter gehen? „Zwei Jahre, so lange ich Trainer bei der SG bin“, sagte der Schwede, um dann zur Ernsthaftigkeit zurückzufinden: „Die ersten 20 Minuten waren peinlich für die Mannschaft und für mich.“ Eine Einschätzung, die SG-Manager Thorsten Storm teilte. Auch er vermisste bei seinem Team zunächst die richtige Einstellung: „Shakehands, Küsschen hier, Küsschen da – da alles hat mich mehr an einen Wochenbeginn erinnert als an ein Bundesliga-Spiel.“
Die Zuschauer trauten ihren Augen nicht. Die SG kam überhaupt nicht in Fahrt, während beim HSV Hamburg fast jeder Wurf saß. Weder Angriff noch Abwehr waren präsent. Zu allem Überfluss war Sören Stryger bereits nach der ersten Minute ausgefallen. Erneut ein Schlag auf die Schulter! Und auch Kasper Nielsen fehlte. Eine Fußverletzung – voraussichtlich eine zehntägige Pause! Als es nach 20 Minuten 6:14 hieß, schienen ganz dunkle Wolken heraufzuziehen.
Doch Kent-Harry Andersson setzte geschickt ein paar kleine Nadelstiche. Die Einwechslung von Dan Beutler für Jan Holpert, der von seinen Vorderleuten kräftig in Stich gelassen wurde, war ein Signal. Ebenso das Erscheinen von Goran Sprem. „Lars Christiansen war heute gewiss nicht schlecht“, sagte der SG-Coach. „Ich musste aber etwas ausprobieren, und Goran Sprem spielte mit sehr viel Aggressivität in der Abwehr.“ Urplötzlich lief es wie am Schnürchen, die Tore fielen im Minuten-Takt. Schon in der 29. Minute erzielte Goran Sprem das 16:17. Die „Hölle Nord“ feierte den Anschluss. Ein neues Match begann.
In der Kabine fand Kent-Harry Andersson offenbar die richtigen Worte. Als andere später über den „Spieler des Tages“ diskutierten, schwärmte Thorsten Storm noch immer von der „Halbzeit-Predigt“: „Für mich war Kent-Harry heute der Matchwinner. Manchmal kann ein ruhiger Mensch auch etwas lauter werden.“ Der Gelobte kommentierte dies nicht, legte vielmehr einen echten „Klassiker“ nach: „Wenn man kämpft, kann man im Handball viel erreichen.“
In der zweiten Hälfte ging die SG schnell auf die Überholspur. Dan Beutler parierte wie ein Weltmeister, von den Halbpositionen kamen Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski immer besser zum Zug. Die 6:0-Deckung startete immer häufiger zum Gegenstoß. Goran Sprem erzielte den ersten Ausgleich (20:20), Blazenko Lackovic markierte die erste Führung (22:21). Kitzelig wurde es danach nur noch einmal, als beide Kroaten gemeinsam auf die Strafbank mussten. Aber selbst in 4:6-Unterzahl hielt sich die SG weitgehend schadlos, Marcin Lijewski hämmerte gar einen Ball in die Maschen.
Nach dem 24:24 gab es kein Halten mehr. Binnen sieben Minuten marschierte die SG auf 30:24 davon. Die Zuschauer sprangen aus ihren Sitzen, die Nordtribüne sang: „Das war spitze, das war elegant.“ Und die Hamburger? Sie fuhren aufrechten Hauptes nach Hause. Trainer Martin Schwalb kündigte an. „Wenn wir in der nächsten Saison wieder mit acht Toren führen, werden wir diesen Vorsprung über die Zeit bringen.“

Zunächst lief die Partie in eine andere Richtung.

 

SG Flensburg-Handewitt – HSV Hamburg 36:30 (16:18)
SG Flensburg-Handewitt: Beutler (ab 11. 17/1 Paraden), Holpert (1 Parade) - Solberg (2), Lackovic (5), Berge (3), Sprem (4), Jensen, Christiansen (5/4), Stryger, Lijewski (6), Boldsen (5), Lauritzen (2), Knudsen (4)
HSV Hamburg: Stojanovic (10/1 Paraden), Wiechers (1 Parade; 39.-47.) – Schröder (7), Jansen (1), Flohr (1), Knorr, Pungartnik (4/2), G. Gille (3), B. Gille (5), Lijewski (5), Lavrov, Hens (4), Rastner
Schiedsrichter: Ehrmann/ Künzig (Odenthal/Karlsruhe); Zeitstrafen: 8:8 Minuten (Sprem 4, Lackovic 2, Boldsen 2 - G. Gille 2, Pungartnik 2, Knorr 2, Schröder 2); Siebenmeter: 7/4:3/2 (Christiansen zwei Mal an den Pfosten, Lackovic scheitert an Stojanovic - Beutler hält gegen Pungartnik); Zuschauer: 6200
Spielverlauf: 0:3 (4.), 3:4 (6.), 3:7 (8.), 4:9 (11.), 5:13 (19.), 6:14 (20.), 10:24 (24.), 12:17 (27.), 16:17 (29.) - 17:18 (31.), 20:20 (34.), 22:21 (37.), 24:24 (41.), 30:24 (48.), 34:26 (53.), 35:30 (58.)

 

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