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Glanzleistung nach peinlichem Start

Das Bundesliga-Spiel, das am vergangenen Sonnabend in der Campushalle von der SG Flensburg-Handewitt und dem HSV Hamburg den 6000 Zuschauern präsentiert wurde, sprengte den Rahmen des Gewohnten. Schlagwörter wie "kurios", "unglaublich", "komisch" und "verrückt" machten im Anschluss an den unterhaltsamen Nordschlager die Runde, wobei das nackte Endergbnis von 36:30 und auch noch der Halbzeitstand von 16:18 kaum auf die ungewöhnlichen Ereignisse schließen lassen. "In den ersten 20 Minuten haben wir nicht die richtige Einstellung gehabt, das war peinlich", entgegnete SG-Trainer Kent-Harry Andersson schonungslos offen, "danach haben wir dann überragend in der Abwehr gespielt und gewonnen. Das hat Spaß gemacht und man kann sagen, dass wir den Zuschauern etwas bieten." In der Tat war das Angebot breitgefächert und alle Mal sehr unterhaltsam.
Daran hatte allerdings auch der Gast aus Hamburg großen Anteil, bei dem die Leistungswaage exakt den umgekehrten Weg nahm. HSV-Trainer Martin Schwalb und sein Team war nach vier Bundesliga-Siegen in Folgen und dem Gewinn des DHB-Pokals mit der festen Absicht nach Flensburg gekommen, hier erstmals zu punkten. "Und in der ersten Halbzeit haben wir auch gezeigt, was wir können", lobte Schwalb, um den historischen 14:6-Vorsprung (20.) zu relativieren. "Man führt in Flensburg nicht so deutlich, wenn die SG richtig auf dem Parkett gewesen wäre."

Marcin Lijewski glänzte in der zweiten Hälfte.

Stimmt. Nach dem schnellen Ausfall von Kapitän Søren Stryger, der nach einem Foulspiel von Pascal Hens erneut auf die angeschlagene Schulter fiel, wirkte die SG kopf- und lustlos und hatte nicht im Ansatz eine Chance um gegen die offensive "Beton-Abwehr" der Hamburger einen Stich zu landen. Und alles, was dann mehr oder weniger halbherzig oder unter starker Bedrängnis geworfen auf das Tor von Goran Stojanovic kam, wurde zur leichten Beute des coolen Serben.
Gestützt auf diese brilliante "Defense" zog der HSV sein Tempospiel auf und machte sich über 4:1 (6.), 7:3 (8.) und 11:5 (15.) scheinbar mühelos bis auf 14:6 (20.) auf und davon. Mit vier Treffer hatte ausgerechnet der Ex-SGer Stefan Schröder an seiner alten Wirkungsstätte den größten Anteil an der komfortablen Führung. SG-Coach Andersson zog nach einer Auszeit alle Register, beorderte Dan Beutler für Jan Holpert ins Tor und besetzte mit dem Dänen-Duo Michael V. Knudsen und Joachim Boldsen zwei Schaltstellen im Angriff neu und bewies damit ein glückliches Händchen. Beutler vernagelte fortan sein Tor, gab damit der Abwehr die nötige Initialzündung für ein verbessertes Engagement und im Angriff "bissen" Knudsen und Boldsen Schneisen in die HSV-Abwehr und ließen den Knoten platzen. "Am Anfang stimmte es im Kopf nicht. Aber dann haben wir gekämpft und Charakter gezeigt. Das hat mir gefallen", strahte Beutler im Anschluss, ohne eine Wort über seine außergewöhnliche Leistung zu verlieren. Das tat sein Manager umso lieber: "Glückwunsch Dan, das war heute eine Quote von 44 Prozent", so Thorsten Storm freudestrahlend im Kabinengang.

Interessantes Spielmacher-Duell: Igor Lavrov gegen Christian Berge.

Identisch zu den ersten 20 Minuten verlief die zweite Halbzeit - nur mit umgekehrten Vorzeichen. Der Tabellenzweite ließ kräftig und geschmeidig die Muskeln spielen, hatte nach dem 16:18-Pausenstand beim 22:21 (37.) die erste Führung erkämpft und schickte sich unter dem tosenden Applaus seiner begeisterten Fangemeinde an den schwächelnden HSV zu überrollen. Das, was Martin Schwalb später als "Lehrstunde" bezeichnete, stellte sich zuvor als Demonstration modernen Handballs dar. Starke Abwehr samt Torhüter, Tempospiel gepaart mit einer kämpferischen Einstellung und unbedingtem Siegeswillen - gegen die wie verwandelt auftrumpfende SG hatte der DHB-Pokalsieger keine Chance und sah sich beim 32:24 einem Debakel entgegen. Statt Auswärtssieg drohte nach einem furiosen Start sogar noch eine herbe Abfuhr, die Schwalb zu folgendem Fazit veranlasste. "Wir müssen unbedingt konstanter werden. Schließlich wollen wir beim nächsten Mal, wenn wir in Flensburg führen, das Spiel auch gerne gewinnen."
Das Aus im Titelrennen verdaut, Pflichtsiege gegen Melsungen und nun Hamburg verbucht macht sich die SG bereits auf den Weg zum nächsten Gipfeltreffen. Morgen Abend gastiert das Team von Kent-Harry Andersson beim frischgebackenen EHF-Cupsieger TBV Lemgo, der sich gerne für die Hinspiel-Niederlage revanchieren möchte.  Während Stryger wohl wieder einsatzfähig sein dürfte, fällt Kasper Nielsen wie schon gegen den HSV aufgrund einer Fußverletzung aus.