Stripes
Stripes
Archiv

Kein beruhigendes Polster

Ob das reicht? Die SG Flensburg-Handewitt musste im Viertelfinalhinspiel des EHF-Pokals gegen den RK Celje mit einem 33:29 (15:12)-Erfolg zufrieden sein. Ein Resultat, das nicht gerade beruhigend erscheint, wenn man sich der letzten beiden deutlich verlorenen Spiele des Handball-Bundesligisten in der Arena Zlatorog erinnert. Dort muss die SG am Ostersonnabend (20 Uhr) vor einer höllischen Kulisse den Vier-Tore-Vorsprung verteidigen, um ins Halbfinale einzuziehen.

Per Carlén war nicht zufrieden.

Schleswig-Holsteins Landessynfonieorchester  hatte bei einem Kurzauftritt in Campushalle mit einem Mix aus populären Melodien ein stimmungsvolles Vorspiel geboten und so an den eigenen Kampf ums Überleben erinnert. Weniger harmonisch war das, was die SG anschließend bot. In der ersten Hälfte gingen die Gastgeber leichtfertig mit ihren Chancen um, nach der Pause gerieten sie zeitweilig völlig aus dem Rhythmus.
„Wir haben taktisch katastrophal gespielt“, wetterte SG-Manager Holger Kaiser. „Torhüter, Angriff, Abwehr haben ihre Leistung nicht abrufen können.“ Das lag auch an der Cleverness des Gegners. Celjes Trainer Noka Serdarusic operierte mit einer offensiven Formation, irgendwo anzusiedeln zwischen 4:2, 3:3 und 3:2:1. Das war improvisiert, nachdem zwei Routiniers verletzt ausgefallen waren. Nach Mladen Kozlina (Handbruch) erwischte es beim Abschlusstraining in Flensburg auch noch Ales Pajovic (Rückenbeschwerden). Erst am Morgen vor dem Spiel ließ Serdarusic eine Lösung einüben. Die Youngster Gasper Marguc und David Razgor störten weit vorgezogen die Kreise von SG-Spielmacher Thomas Mogensen und Linkshänder Oscar Carlén. Ziemlich erfolgreich sogar, was Kaiser erzürnte: „Da stehen zwei bei 13 Metern. Dahinter könnte unser Mannschaftsbus reinfahren, aber wir bekommen dort keinen Mann freigespielt.“

Tobias Karlsson setzt sich durch.

Auch den verletzten SG-Kreisläufer Michael Knudsen juckte es in den Fingern: „So viel Platz – da wäre ich gern dabei gewesen. Das war kein großes Spiel von uns.“ Trainer Per Carlén klagte: „Diese Abwehr kostete uns den Rhythmus. Unser Problem ist die Bewegung ohne Ball, das muss besser werden.“ Auch Dan Beutler und Johan Sjöstrand mussten sich Kritik gefallen lassen: „Das war keine 100-prozentige Torhüterleistung.“
Die SG konnte von Glück reden, dass zunächst auch Celje im Angriff erschreckend schwach spielte, so dass sich viele Konterchancen eröffneten. Das reichte zwischenzeitlich zum 13:8 (24.). Doch statt eines gut möglichen Acht- oder Neun-Tore-Vorsprungs kam zur Pause nur ein 15:12 heraus, weil etliche Würfe kläglich vergeben wurden. Nach der Pause gelang es den Gästen auch noch, ihre Fehlerquote zu reduzieren. Nun bekam die SG-Abwehr, die durch eine frühe zweite Zeitstrafe für Jacob Heinl geschwächt war, immer mehr Probleme. Alles drehte sich um den slowenischen Spielmacher Uros Zorman, der an 80 Prozent der Celje-Treffer beteiligt war. Mogensen wurde zeitweise zur Manndeckung gegen den brillanten Individualisten beordert, ließ dabei aber Konsequenz und Bissigkeit vermissen. Celje ging sogar 22:20 (42.) in Führung, bevor sich die Flensburger wieder fingen und vor allem dank der individuellen Wucht von Linkshänder Alexander Petersson und der Treffsicherheit von Rechtsaußen Lasse Svan Hansen sowie von Anders Eggert (bei sechs Strafwürfen) noch zum Sieg kamen.

Noka Serdarusic übt sich in Selbstbeherrschung

Sie schwenkten kopierte Geldscheine, sie zeigten einen Umschlag und dazu den Spruch „Zvonimir regelt das...“, und sie beschimpften ihn unermüdlich – doch der Mann in Schwarz ertrug die Bemühungen der SG-Fans in stoischer Ignoranz. Innerlich mag es in Zvonimir „Noka“ Serarusic gebrodelt haben, nach außen  zeigte er keine Regung. Er wusste, was jemanden mit seiner Vorgeschichte hier erwartet. Angeklagt wegen Betrugs an der SG Flensburg-Handewitt im Champions-League-Finale 2007, sportlich ohnehin seit fast zwei Jahrzehnten eine Reizfigur – dass ihn  nicht gerade Herzlichkeit empfangen würde, war dem Trainer des RK Celje klar.
Natürlich stellte er sich. „Soll ich etwa zu Hause bleiben?“, hatte er schon im Vorfeld entsprechende Fragen beschieden. Um seine Unversehrtheit musste er nicht fürchten, weil SG-Geschäftsführer Holger Kaiser mit der Einschätzung Recht behielt, das Flensburger Publikum sei „ausreichend zivilisiert“. Gerade noch ausreichend, möchte man als Note für das Verhalten einer einschlägigen Fan-Gruppe anfügen.
In der Pressekonferenz  gab Noka Serdarusic bereitwillig Auskunft zum Spiel, in dem er seine Virtuosität als Handballlehrer demonstriert hatte. Den Triumph, die SG mit einer aus der Not geborenen Abwehridee vor Riesenprobleme gestellt zu haben, genoss er still. Die SG  erklärte er gar zum Favoriten für das Rückspiel, weshalb  er da schon mit einem Ein-Tore-Sieg zufrieden wäre. Wie so manches andere nahm man ihm auch das nicht ab.
Als die unvermeidlichen Fragen folgten, sprang die menschgewordene Klimaanlage an.  Die Temperatur sank gefühlt um etliche Grade, der Aufprall einer Nadel hätte in den Ohren geklirrt. „Sie sehen es doch, ich bin ganz ruhig“, giftete Serdarusic  auf die Frage, wie er mit den Provokationen durch das Publikum umgehe. Natürlich war nichts Erhellendes zur Manipulations-Affäre zu erwarten. „Nur Fragen zum Spiel“ wollte er zulassen, sagte Serdarusic und so missglückte ihm doch noch etwas an diesem Tag. Es gelang ihm nicht, wie jemand zu erscheinen, der nichts zu verbergen hat.