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SG am Tiefpunkt einer Serie von Blackouts

Was nun, SG? Nach der Pleite gegen die Löwen herrschte unter den Flensburger Handballern Fassungslosigkeit. Foto: Staudt
"Ich weiß es auch nicht", war ein oft gehörter Satz am Dienstag in der Campushalle. Nach einem erschreckenden Absturz herrschte bei der SG Flensburg-Handewitt Ratlosigkeit. Die 26:27 (16:13)-Niederlage im Pokal-Achtelfinale gegen die Rhein-Neckar Löwen, die den Traum vom Final Four und einem hübschen Geldsegen platzen ließ, war der Tiefpunkt in einer Serie von Blackouts.
Hamburg, Lemgo, Nordhorn und nun die Löwen - all diesen Hochkarätern trat die SG auf Augenhöhe gegenüber, war dem Erfolg greifbar nah, um ihn dann auf eine Art und Weise wegzuwerfen, die mit Pech nicht mehr zu erklären ist. Routinier Lars Christiansen, seit 1996 in Flensburg, konstatierte eine Krise, die "ich so noch nicht erlebt habe. Wir bewegen uns wie im Rad, da kommst du nicht so einfach raus."
Die vier Niederlagen in der Liga, dazu je eine in Champions League und im Pokal ließen sich mit individuellen Fehlleistungen erklären, etwa mit nicht genutzten Strafwürfen oder mit technischen Fehlern in der entscheidenden Phase. Doch allmählich geht den Verantwortlichen auf, dass die Ursache für die Enttäuschungen tiefer liegt. "Wenn man sechs Mal mit einem Tor verliert, dann stimmt etwas nicht in unserer Mannschaft. Es muss etwas passieren", sagte Manager Fynn Holpert.

Die Mauer war zu hoch.

Für Trainer Kent-Harry Andersson, der die SG 2004 zur ersten Meisterschaft und zu zwei Pokalsiegen geführt hat, wird die Luft dünner. Ebenso wie die Spieler muss sich Andersson Fehler im Spiel gegen die Löwen ankreiden lassen: Etwa die späte Reaktion darauf, dass die halblinke Position mit Alen Muratovic und Lasse Boesen über 40 Minuten mausetot war oder das nicht genutzte taktische Mittel einer Auszeit Ende der ersten Hälfte. Und schließlich ist nicht zuletzt der Chefcoach für den mentalen Zustand der Mannschaft verantwortlich. "Kent-Harry muss intensiv im psychologischen Bereich arbeiten", forderte Holpert.
Gegen die Löwen lagen die Nerven nach 45 Minuten blank, trotz einer 24:21-Führung. Es folgten zehn Minuten, in denen die SG um Ausgleich und Rückstand geradezu bettelte. Die Gäste, die derzeit bestenfalls Mittelklasse repräsentieren, zierten sich lange, bis sie in Unterzahl (!) doch den 25:24-Vorsprung erzielten. Die SG taumelte zwischen Pech und Unvermögen durch die letzte Viertelstunde. Drei vergebene Siebenmeter, zwei Großchancen von Rechtsaußen ausgelassen, ein Lattenkracher von Carlén und der finale Pfostenwurf von Boesen - der kümmerlichen Kulisse von 3857 Besuchern wurde Spektakuläres geboten, nur nichts, woran man sich erwärmen konnte. "Wir haben gute Möglichkeiten herausgespielt. Leider kann nur eine Mannschaft gewinnen. Wir haben im Moment kein Glück", lautete die nicht wirklich erhellende Auskunft von Andersson. Deutlicher äußerte sich der Schwede zur Option, den wurfstarken Rückraumspieler Sebastian Schneider auszuprobieren: "Er ist noch nicht reif genug für solche Spiele."
Eine Lösung für das Kardinalproblem dieser Saison ist nicht in Sicht. Es fehlt der Schütze, der auch einmal ohne großen Aufwand aus der Distanz trifft, wie ein Bielecki bei den Löwen oder die Ex-Flensburger Lackovic und Lijewski. Den Verlust der Kanoniere zu kompensieren, indem man sich auf Tore vom Kreis oder von den Außenpositionen konzentriert, ist höchst risikobehaftet. Das Spielkonzept trägt noch gegen Berlin, Großwallstadt, Göppingen & Co., gerät in der Zuspitzung der Duelle mit gleichstarken Teams aber regelmäßig ins Wanken. Zumal, wenn etwa der Linkshänder Lasse Svan Hansen ausnahmsweise nicht funktioniert und Torge Johannsen völlig kalt in die Schlacht geworfen wird, wie am Dienstag geschehen. So ist die Diskussion, ob alle personellen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, in vollem Gange. "Unser Kader ist breiter als wir ihn nutzen", meinte Teamarzt Dr. Hauke Mommsen, der gern die eine oder andere Pause mehr für einige der acht "gesetzten" Akteure gesehen hätte.
Nun klammern sich die Flensburger an die Hoffnung, dass am Sonnabend alles besser wird - ausgerechnet gegen den THW Kiel. "Im Derby findest du plötzlich irgendwo Kräfte, wo man sie nicht vermutet hätte", sagte Lars Christiansen.