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Frust macht sich breit

Magdeburg, Hamburg, Lemgo und nun auch Nordhorn − bei den Topklubs der Liga kann die SG Flensburg−Handewitt einfach nicht punkten. Das Bedenkliche an der fatalen Auswärts−Misere − die Nordlichter hielten bis auf die Partie in Magdeburg stets einen oder gar beide Zähler fest in Händen, verloren in der Schlussphase immer die Nerven und gingen dann leer aus.
Die bittere Folge: Statt dem Spitzenreiter THW Kiel im Nacken zu sitzen, werden die Schützlinge von Trainer Kent−Harry Andersson langsam aber sicher nach unten durchgereicht, haben sich nach der vermeidbaren 30:31−Pleite von Nordhorn einen weiteren Schritt von den Champions−League−Plätzen entfernt. "Wir sind zum erneuten Male nicht am Gegner, sondern an uns selbst gescheitert. Ich bin unglaublich enttäuscht", stellte sich Manager Fynn Holpert im Kabinengang des Euregiums als erster SG−Vertreter der Öffentlichkeit, und legte nach: "Die Summe an Fehlern, die wir machen, ist unglaublich. Wir werfen reihenweise Bälle weg, machen haarsträubende Fehler und lassen erneut die Punkte liegen. Das frustriert."
Im Hinblick auf die Tabellensituation bekennt Holpert: "Wir haben neun Minuspunkten. Das sind zu diesem Zeitpunkt der Meisterschaft viel zu viele. Jetzt stecken wir tief im Kampf um die Fahrkarten für die Champions−League. Von diesem Ziel rücken wir nicht ab." "Das war ein Schlag ins Gesicht. Jetzt müssen wir ganz eng zusammenrücken", fordert "Oldie" Johnny Jensen für die anstehende Heimspielserie gegen die Rhein−Neckar−Löwen (morgen im Pokal−Achtelfinale und am 23. Dezember im Ligaspiel) sowie den THW Kiel (20. Dez.). Weitere Punktverluste sind dabei aus Sicht der SG schlichtweg verboten, soll das Weihnachtsfest nicht komplett zur Trauerveranstaltung mutieren. "Wir waren einfach heißer als die SG", strahlte Goran Sprem über den Zittersieg gegen seinen Ex−Klub. Der kroatische Linksaußen der HSG hatte mit sieben Toren großen Anteil am überaus glücklichen Erfolg. Nach zuletzt fünf schmerzhaften Niederlagen konnte der krisengeschüttelte Europacupsieger damit seine rasante Talfahrt bremsen und ein Freundenfest unter den 4200 Fans auslösen.
So plausibel die Begründung des sympathischen Olympiasiegers auch klingen mag, zur ganzen Wahrheit gehört weitaus mehr. Denn die Nordlichter hatten mit Keeper Dan Beutler und Kreisläufer Michael V. Knudsen nur zwei Akteure in ihren Reihen, die das Prädikat "Spitzenklasse" verkörperten. Mit gewissen Abstrichen durften dann nur noch Johnny Jensen, Ljubomir Vranjes und Thomas Mogensen mit ihrer Vorstellung zufrieden gewesen sein. Der Rest der SG blieb nahe der Grenze zur Niederlande weitestgehend den Beweis schuldig, ein Anwärter auf die Königsklasse zu sein.
Anlass zur Sorge bereitet vor allem das Rückraum−Spiel. Auf der Schaltstelle gelingt es Mogensen zwar als Torschütze zu glänzen, das Kombinationsspiel mit seinen Nebenleuten leidet jedoch darunter.
Besonders dramatisch wirkt sich dieses Manko im linken Rückraum aus, wo Neuzugang Alen Muratovic immer tiefer in die sportliche Krise schliddert. Die Einsatzzeiten des Montenegriner gehen gegen Null, die Chance zur Rehabilitation damit auch. Aber auch bei Europameister Lasse Boesen driften Anspruch und Wirklichkeit sichtbar auseinander. Allein−Unterhalter Oscar Carlén schlägt sich hingegen im rechten Rückraum absolut wacker, leistet sich bei zunehmenden Substanzverlust aber auch eine hohe Fehlerquote in Abwehr wie Angriff. "Wir müssen uns gegenseitig viel mehr helfen", forderte Jensen energisch. "Unser ganzes Spiel haut nicht hin. Wir liegen hier mit 7:12 in Rückstand, dass darf schon nicht passieren. Und dann drehen wir die Partie und verlieren wieder den Kopf. Sicher ist, wir sind gut, zeigen es aber nicht", bemühte sich Ljubomir Vranjes um eine Erklärung.
Dabei hatte der kleine Schwede wesentlichen Anteil daran gehabt, dass sein Team aus einem 14:16 zur Pause beim 21:18 (42.) das Duell in den Griff bekam und die Führung bis in die Schlussphase verteidigen konnte. Doch selbst das 30:28 (58.) und eine sieben zu fünf Überzahl im Feld waren am Ende nicht genug.
Mit technischen Fehlern, Fehlwürfen und Schwächen im Abwehrverhalten ließ sich die SG den Sieg im allerletzten Moment noch aus den Händen reißen − wieder einmal.
Wie geprügelte Hunde schlichen die Andersson−Schützlinge schließlich aus dem Euregium, schoben dabei eine gewaltige Portion Frust vor sich her und brachen mit hängenden Köpfen zur offiziellen Weihnachtsfeier nach Flensburg auf.