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29:30 – SG verliert den Anschluss

Wieder nichts. Die SG Flensburg-Handewitt kann die Spitzenspiele auswärts nicht gewinnen. In einem hochdramatischen Verfolgerduell der Handball-Bundesliga warf der Vizemeister gestern beim TBV Lemgo in letzter Minute einen möglichen Punkt weg und unterlag 29:30 (14:15).
„Es ist zum Mäuse melken, dass wir die Big Points nicht landen können“, wetterte SG-Manager Fynn Holpert. „Immer wieder schießen wir uns selbst ins Knie. Veszprem, Hamburg und jetzt Lemgo – das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison.“ Die 29:30-Schlappe gegen den TBV Lemgo gestern im Tennis-Stadion von Halle war der vorläufige Höhepunkt einer schmerzhaften Serie, die allmählich das Ziel der SG Flensburg-Handewitt in dieser Spielzeit – ein Champions-League-Platz – in Gefahr bringt. Das Potenzial wäre da, um in der Spitze mitzumischen, doch regelmäßig spielen dem Vizemeister die eigenen Nerven einen Streich.
Vier Minuten vor Schluss hatten die Flensburger eine Situation mit Matchball-Qualität. 6:4-Überzahl, 28:27 in Führung. TBV-Trainer Markus Baur wollte sich schon in die Niederlage fügen, doch „meine Mannschaft hat den Glauben nicht verloren.“ Die SG handelte sich den Ausgleich ein, holte sich nochmals die Chance zum entscheidenden Schlag – und verschenkte doch den möglichen wichtigen Erfolg. Unglücksrabe war Youngster Oscar Carlén, der erst eine gut herausgespielte Wurfchance nicht nutzte und wenig später den Ball verlor, der Lemgo die Chance zum letzten Tor in diesem Match eröffnete. „Das ist ein Lernprozess, die Bundesliga ist ein harte Schule“, kommentierte Holpert den Aussetzer des Linkshänder-Talents.
Auch Lasse Svan Hansen, der in letzter Sekunde den Ausgleich in der Hand hatte, musste erkennen, dass für ihn die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Der dänische Rechtsaußen, der so glänzend eingeschlagen hat, warf den entscheidenden Ball an den Pfosten. „Da fehlt die Erfahrung, und er hatte Pech heute“, resümierte Trainer Kent-Harry Andersson, der feststellte, dass „meine Spieler heute oft unter Stress gerieten.“

Kent-Harry Andersson war mit der Einstellung seines Teams zufrieden.

Das gleiche galt für die Lemgoer, die fünf Partien in Folge im Gerry-Weber-Stadion nicht gewonnen hatten. So entwickelte sich eine Partie, die vom Kampf auf Messers Schneide lebte, aber spielerisch oft enttäuschte. Zwölf technische Fehler bei Flensburg, zehn bei den Gastgebern – immer wieder ging ein Aufstöhnen der 7800 Zuschauer durch das Rund. Beide Abwehrreihen waren von Beginn an auf dem Posten und erzwangen serienweise Ballverluste der Angreifer. Die SG geriet nach einer 5:3-Führung (14.) kurz aus dem Tritt, fing sich aber wieder, nachdem Andersson den Angriff umgebaut hatte. Ljubomir Vranjes übernahm die Regie vom Thomas Mogensen. Lasse Boesen kam halblinks für den erneut enttäuschenden Alen Muratovic und machte sich zusammen mit Lars Christiansen an die Aufholjagd, nachdem sich Lemgo mehrfach mit drei Toren abgesetzt hatte.
Nach 45 Minuten schien die SG mit einer 21:19-Führung endlich auf dem Weg zum Erfolg, zumal Dan Beutler einige Bälle mehr zu fassen bekam als Carsten Lichtlein gegenüber. Dann kam Martin Galia ins Lemgoer Tor und brachte die Gastgeber mit zwei glänzenden Paraden zurück ins Spiel. Wieder setzte sich der Tabellenzweite auf 26:24 (53.) ab, wieder fand die SG eine Antwort, in dem sie die Achse Mogensen/Knudsen erfolgreich in Szene setzte.
Umso bitterer das Finale, das die Flensburger ratlos hinterließ. „Es tut unglaublich weh“, sagte Kreisläufer Michael Knudsen, „es ist ja nicht das erste Mal in dieser Saison. Wenn es einmal passiert, dann kann man sagen, wir haben eine neue, junge Mannschaft. Aber heute hatten wir alle Möglichkeiten in der Hand. Ich verstehe es nicht.“
Was beide Teams nach der Leistung von gestern jedoch verstanden haben, ist die Erkenntnis, dass am Titelverteidiger in dieser Saison wohl nicht zu rütteln sein wird. „Der THW wird einsam seine Kreise ziehen“, meinte Holpert. „Kiel spielt in einer eigenen Liga“, sagte Andersson. Und auch Markus Baur wirkte als nunmehr einziger Verfolger wenig angriffslustig: „Wir haben unsere Lehrstunde von Kiel ja schon erhalten.“