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"Wir sind wieder eine Spitzenmannschaft"

Auch die Aussicht auf den Rüttelparcours der polnischen Landstraßen und die nächtliche Ausdauerfahrt über deutsche Autobahnen konnte die Laune von Blazenko Lackovic nicht trüben.
Mit federndem Schritt schwang sich der Kroate am Donnerstag Abend in den SG-Bus und zeigte dabei ein breites Grinsen. "Ich habe Kraft, viel Motivation und keine Schmerzen mehr. Das macht alles wieder sehr viel Spaß", sagte der 26-Jährige.Acht Tore hatte Lackovic zum 34:19 (18:8)-Triumph der SG Flensburg-Handewitt bei MKS Zaglebie Lubin erzielt und sich dabei endlich wieder als der Weltklassemann präsentiert, als der er 2004 geholt worden war. "Jetzt sind wir wieder eine Spitzenmannschaft. Man sieht, was Blazenko für uns bedeutet", meinte SG-Trainer Kent-Harry Andersson, der Lackovic sechs Wochen nach dessen Comeback wieder bei "90 Prozent seines Potenzials" einstuft.
Es waren sechs Wochen, in denen sich der Torjäger mühsam hoch gehangelt hat. In Glogow schloss sich ein Kreis. Die sensationelle Heimniederlage der SG gegen Lubin im Oktober, bei der Lackovic das erste Spiel nach langer Leidenszeit völlig missriet, war der Beginn einer sportlichen Krise der Mannschaft, die Revanche gegen Polens Champion markierte das Ende.

Michael Knudsen

Daran hatte auch Marcin Lijewski erheblichen Anteil - mit einer ungewöhnlichen Vorstellung. Der geniale Linkshänder gab die Rolle des reifen Handballers, der sich diszipliniert in den Dienst der Mannschaft stellte. Der Pole begnügte sich mit drei Toren, brillierte aber mit Anspielen und tollen Blocks in der Abwehr gegen seine wurfgewaltigen Landsleute. Viel hatte er sich vorgenommen, Misserfolg war für Lijewski keine Option. "Ich konnte hier einfach nicht schlecht spielen und verlieren. Jetzt bin ich glücklich", sagte der Halbrechte, dem auch eine Portion Egoismus den Weg aus einem langen Formtief gewiesen hat: "Ich musste mich mehr auf mich selbst konzentrieren."
Nachdem die beiden Torjäger sowohl mit Thomas Mogensen als auch später mit Ljubomir Vranjes als Angriffslenkern harmoniert hatten, lehnte sich der sonst so zurückhaltende Andersson für seine Verhältnisse weit aus dem Fenster: "Wenn Lackovic und Lijewski so spielen, können wir jeden schlagen."
Auch Teammanager Anders Dahl-Nielsen machte die wieder gewonnene Stärke am Aufschwung "unserer Starspieler im Rückraum" fest: "Sie sind wieder auf dem Niveau, dass wir uns wünschen. Das gibt die Stabilität, die wir bisher vermisst haben. Wir konnten super spielen, aber auch unglaublich schlecht."
Für Dahl-Nielsen ist es besonders wichtig, dass sich bei den SG-Profis das Selbstverständnis festigt, ein Top-Team zu sein: "Wenn du daran glaubst und das ausstrahlst, glauben es auch die Gegner." Gegen Lubin sei dies gelungen. "Die Polen waren nicht schlecht, wir haben sie schlecht gemacht", sagte der Teammanager, der die Rolle von Kent-Harry Andersson hervorhob. "Er hat in der Halbzeit viel dafür getan, dass wir nach dem 18:8 weiter machen und nicht das erarbeitete Selbstvertrauen wegwerfen. Wir hätten immer gewonnen, aber wenn es am Ende nur zwei oder drei Tore Unterschied gewesen wären, hätte der Sieg wieder so einen schlechten Geschmack gehabt."

Marcin Lijewski

Dass es nicht so kam, lag daran, dass nach dem Tag der offenen Tür in Melsungen die Abwehr wieder geschlossen stand. Die im Hinspiel noch überragenden Lubiner Bartolomeij Jaszka in der Mitte und Michal Kubisztal auf Halblinks bekamen ihre Grenzen gezeigt. "Die mussten wir stoppen. Das ist gelungen, und deshalb war nach zehn Minuten alles vorbei", sagte Lijewski. Das Hauptverdienst daran hatte Frank von Behren mit einem seiner besten Spiele für die SG. "Er war ein toller Abwehrchef", lobte Andersson den Nationalspieler, der sich eindrucksvoll für den EM-Kader von Heiner Brand empfahl.
Bei der SG blühen nun die Träume von neuen Erfolgen. "Wir sind in der Champions League dort, wo wir hingehören. Wir haben eine günstige Position in der Bundesliga, auch wenn wir einige Punkte unnötig liegen gelassen haben", sagte Dahl-Nielsen und kündigte auch dem Heimpublikum Handball-Feste an. "Am Sonntag gegen Großwallstadt wollen wir den Wiederaufbau der Hölle Nord anfangen."
Die wird in der zweiten Gruppenphase der Champions League dringend benötigt. "Jetzt kommen die Spitzenteams, das ist eine neue Dimension", sagte Fynn Holpert, der auch auf die wirtschaftliche Bedeutung des sportlichen Aufschwungs hinwies. Auf mindestens 300 000 Euro taxierte der Geschäftsführer die Einnahmen in der nächsten Runde. Bei den Wünschen für die Auslosung am kommenden Dienstag herrschte Einigkeit. "Hamburg, GOG Svendborg und Barcelona", benannte Dahl-Nielsen die von allen erhofften Gegner. "Drei Mal volles Haus, zwei Auswärtsfahrten wie zum Kaffeetrinken und eine schöne Reise."
Morgen trifft die SG auf einen angeschlagenen Gegner. Beim TV Großwallstadt fällt nicht nur der wurfstarke Däne Anders Oechsler aus, die Mainfranken um den neuen Torjäger Bostjan Hribar mussten am Donnerstag auch das bittere Aus im EHF-Pokal gegen Portowik Juschni aus der Ukraine hinnehmen.