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Ein SG-Spiel zwischen Himmel und Hölle

Im Süden nichts Neues. Einmal mehr blieb der SG Flensburg-Handewitt in der Heimat von Don Quijote nur die Rolle der traurigen Gestalt.
Immerhin hielt sich der Frust in Grenzen, denn wer sich Mühe gab, konnte in der 24:29 (15:16)-Niederlage bei BM Ciudad Real auch Positives entdecken. "45 Minuten waren ganz okay, 15 Minuten ganz schlecht", befand Trainer Kent-Harry Andersson. Manager Fynn Holpert hatte gar die "beste Saisonleistung unseres Angriffs gegen eine 5:1-Abwehr gesehen", gab aber auch zu: "Das tröstet nicht wirklich."Es war wieder so ein SG-Spiel zwischen Himmel und Hölle. Da zeigten die Flensburger, dass sie eine der weltbesten Mannschaften sein könnten, und dann fielen sie kurz, aber ebenso schmerzlich wie entscheidend auf ein unterirdisches Niveau, das unentschuldbar ist. 3:12 Tore lautete die Bilanz der SG in den ersten 14 Minuten der zweiten Hälfte. "Jede Mannschaft hat eine schwache Phase im Spiel. Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir dann nicht so viel Boden verlieren", ärgerte sich Spielmacher Ljubomir Vranjes.
Wie im Hinspiel wurde alles, was sich die SG aus einer starken Abwehr heraus erarbeitet hatte, in einer Flut von Kontern fortgespült. Torhüter Dane Sijan, der zunächst den Vorzug vor Dan Beutler erhalten hatte und dies mit einer guten Leistung in der ersten Halbzeit rechtfertigte, war machtlos: "Die sind so gut im Gegenstoß. Alle laufen nach vorn, nur der Torwart bleibt hinten. Ich habe 15 Tore durch Konter bekommen, da hast du wenig Möglichkeiten."
Der SG-Angriff zeigte am Mittwoch ein zwiespältiges Bild. In zwei Trainingseinheiten in Ciudad Real war erfolgreich an neuen Kombinationen gefeilt worden. So gelang es zwar, die "weltbeste Abwehr" (SG-Spielmacher Ljubomir Vranjes) bis zur Wurfchance auszuspielen, doch die wurde zu oft nicht genutzt. Nach der Pause hatte die Flensburger Offensive auch keine Geduld mehr. "Wir haben die Spanier durch zu schnelle Abschlüsse zu Kontern eingeladen", sagte Fynn Holpert.
Die SG hat momentan die Qualität verloren, in schwerem Wetter nicht umzukippen. Es gibt keinen Plan B als Alternative zum Hurra-Handball, der den zweimaligen Champions-League-Finalisten groß gemacht hat. Blazenko Lackovic kommt ebenso wie Marcin Ljewski im Ringen um alte Effektivität nur in kleinen Schritten voran. Gegen Drammen HK hatte es gerade noch gereicht, die abgebrühten Spanien-Legionäre hingegen legten den wunden Punkt des Bundesliga-Dritten schonungslos offen.
Leicht schockiert zeigte sich Christian Hjermind, der Rechtaußen, der in Flensburg zu internationaler Klasse gereift war, bevor er Glück und Geld in Zentralspanien suchte: "Ich hatte erwartet, dass die Flensburger viel stärker sind. Ich glaube, ihnen fehlt das Selbstvertrauen. Das müssen sie schnell wieder hinbekommen, sonst haben sie in den letzten fünf Monaten Bundesliga keine Chance."
Hjermind räumte allerdings ein, dass der immense Aufwand, mit dem der millionenschwere Club-Mäzen Domingo Diaz de Mera seine Handball-Mannschaft pflegt, eine Rolle spielt: "Wir haben den Vorteil, dass wir mehr Spieler auf gleichem Niveau haben." Die etatmäßigen Kreisläufer Urios und Laen verletzt? Kein Problem für Ciudad Real. Dann leistet sich Trainer Talant Duishebajew den Luxus, mit Siarhei Rutenka, einen der weltbesten Halblinken, an den Kreis zu beordern. Denn auf seiner Stammposition ja noch Spaniens Handball-Idol Alberto Entrerrios parat. Nicht einmal der Ausfall von Linkshänder Petar Metlicic fiel ernsthaft ins Gewicht, weil Oldie Olafur Stefansson keinen Deut schwächer ist.

Jan Wrege im Gespräch mit Talant Duishebaev.

Den Flensburgern tat weniger die am kommenden Donnerstag in Lubin noch reparable Niederlage weh. "Fünf Tore minus in Ciudad Real, darüber sind wir nicht so traurig. Aber der Weg dahin war nicht gut", sagte Linksaußen Anders Eggert, der Lars Christiansen vertreten durfte. "Wir haben so viele Bälle weggeworfen. Das wurde in der ersten Halbzeit noch nicht bestraft, aber in der zweiten." Es war viel mehr drin als die 7:4- und 8:5-Führungen, mit denen die SG anfangs den Hexenkessel Quijote-Arena gekühlt hatte.
Wenigstens die Moral nahm keinen Schaden. Nach dem 18:28-Rückstand (44.) kamen die Flensburger noch einmal zurück. Weniger in spielerischer Hinsicht, sondern über den Kampf. Schön anzusehen war das nicht, was Christian Hjermind bedauerte: "Das hätten wir auch wie erwachsene Leute zu Ende bringen können." Rutenka holte sich mit seiner dritten Zeitstrafe für einen Wurf ins Gesicht von Dan Beutler die rote Karte ab. Auch die Begegnungen der Abwehr-Recken Didier Dinart und Johnny Jensen deuteten nicht auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft hin.
Viel Zeit zur Erholung bleibt den Flensburgern nicht. Erst gestern abend zurückgekehrt, mussten sie heute früh schon wieder die Taschen packen - für die Busreise zum schweren Bundesliga-Spiel in Melsungen (morgen, 17 Uhr).