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Derby-Geschichte: In schönen Erinnerungen gewühlt

Joachim Boldsen nimmt Vid Kavticnik zur Brust, Henning Fritz eilt wie von der „Tarantel“ gestochen in die gegnerische Hälfte – schon die erste Viertelstunde zeigt viele Komponenten eines äußerst emotionalen Nordderbys. Dazu gesellen sich viele Zeitstrafen und immer wieder Diskussionen am Kampfrichter-Tisch. Die Hallenuhr startet erst mit einer zehnminütigen Verspätung. Impressionen vom letzten Derby im Mai, das die SG Flensburg-Handewitt mit 41:36 gegen den THW Kiel gewonnen hatte.

Bei den Nordderbys geht es fast immer eng zu.

In punkto Hektik gab es in der langen Historie des großen Schleswig-Holstein-Duells wohl nur eine Steigerung. Das 26:26-Unentschieden vom 19. Februar 2005 in der Kieler Ostseehalle. Die Kieler, mit 25:26 im Rückstand, hatten in der Schlussphase alles auf eine Karte gesetzt. Sebastian Preiß betrat als siebter Feldspieler 15 Sekunden vor Ultimo das Spielfeld. Acht Sekunden später glich Marcus Ahlm aus. Johnny Jensen sah das verwaiste Tor, wurde beim Ausführen der „Schnellen Mitte“ aber von Stefan Lövgren attackiert. „Ich bekam einen Schlag in den Rücken und an den Kopf“, äußerte sich der Gefoulte und „revanchierte“ sich. Prompt bildete sich ein Tumult, die Polizei rannte auf das Parkett. Mittendrin die perplexen Referees, die den beiden Protagonisten der unschönen Schlussfrequenz den roten Karton zeigten.
Beim Stöbern in der „Nostalgie-Schachtel“ stößt der SG-Fan auf viele schöne Derby-Erinnerungen. Niederlagen haben da natürlich keinen Platz. Außer die vom März 2006, die sich wie ein Sieg anfühlte. Im Viertelfinale der Champions League hatte die SG in Kiel mit 32:28 gewonnen, lag vor heimischer Kulisse aber mit 31:34 zurück – und die „Zebras“ hatten den Ball. THW-Coach Noka Serdarusic „zuckte“ die grüne Karte. Eine Auszeit zwölf Sekunden vor Schluss sollte den Weg ins Halbfinale ebnen. Blazenko Lackovic saß mit einer Zeitstrafe auf der Bank, Pelle Linders kam als „fliegender Torwart“. Sieben gegen fünf – das roch nach großer Gefahr! Der Ball landete bei Stefan Lövgren, der von Glenn Solberg geschickt attackiert wurde. Der Pass, der eigentlich Kim Andersson erreichen sollte, flog ins Seiten-Aus.

arcin Lijewski – auch von zwei Kielern nicht zu stoppen.

Unvergessen sind natürlich die knappen Siege. Dazu zählt auch die „Premiere“ am 26. Oktober 1985, als die letzten zwei Minuten die Krönung eines dramatischen Handballschlagers brachten. Es hieß 23:23. Die Hausherren, die damals als SG Weiche-Handewitt firmierten, konnten noch alles gewinnen, aber auch alles verlieren. Der Nachteil: Holger Thiesen saß auf die Strafbank. Der Vorteil: Die SG war im Ballbesitz. Ein zweiter Vorteil: Milomir Mijatovic, der mit all seiner Routine immer wieder Freiwürfe herausholte. Die Sekunden verrannen. Nur noch fünf Sekunden verblieben, da fasste sich „Holli“ Hinrichsen ein Herz. 24:23! Die „Hölle Nord“ stand Kopf. Die kleine SG hatte zum ersten Mal den großen THW besiegt.
Ein anderer Krimi ereignete sich am 28. Oktober 2000 in der Fördehalle. Der SG-Anhang musste eine ausgiebige Berg- und Talfahrt überstehen. 16 Sekunden vor Schluss verwandelte die Kieler „Zaubermaus“ Nikolaj Jacobsen einen Siebenmeter zum 29:29. Doch Erik Veje Rasmussen riskierte alles und ließ Christian Berge das „grüne Leibchen“ überziehen. In doppelter Überzahl umkurvte der Norweger die THW-Abwehr und fuhr über die „Autobahn“ den Siegtreffer ein. 30:29 – die Fördehalle hatte sich in ein Tollhaus verwandelt.
Mehr als drei Jahre zuvor erlebte der alte Flensburger „Handball-Tempel“ den klarsten Derbysieg der SG. Dabei wollte der damalige Geschäftsführer Manfred Werner die Partie verlegen, da Spielmacher Roger Kjendalen wegen eines Muskelfaserrisses passen musste. Allerdings fiel auch Kiels genialer Regisseur Magnus Wislander aus. Eine Platzwunde an der Augenbraue! Während den „Zebras“ nun die ordnende Hand fehlte, besaß die SG einen exzellenten Regisseur  in Peter Leidreiter. Er füllte diesen Part so aus, als ob er nie etwas anderes gespielt hätte. Über 26:13 marschierte die SG zu einem 28:21-Triumph. THW-Coach „Noka“ Serdarusic staunte: „Wir haben in den vergangenen Jahren fast überall in Europa gespielt, aber so hoch wie heute haben wir bislang noch nirgendwo zurückgelegen.“