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Goran Stojanovic: Nationaltorhüter eines kleinen Landes

Goran Stojanovic, der Torwart des VfL Gummersbach, hat in seiner Laufbahn schon viel erlebt. Doch Anfang Januar war er aufgeregt wie ein „junger Hüpfer“. Bis dahin war der 31-Jährige noch nie in Norwegen, noch nie in Skandinavien und noch nie bei einem internationalen Großturnier dabei gewesen. Mit dem kleinen Montenegro feierte er bei der Europameisterschaft eine internationale Premiere. „Aus Deutschland kenne ich es ja, mit vielen Nationalspielern gemeinsam auf dem Spielfeld zu stehen“, sagte der Torwart, der in Bar geboren wurde. „Aber eine Europameisterschaft mit meinem Heimatland hat einen ganz besonderen Stellenwert.“
Tatsächlich hat sich das Leben von Goran Stojanovic frühzeitig nur um den Handball gedreht. Schon bald wollte er Torwart werden, am besten so wie sein Vorbild Dejan Peric. „Ich habe mir gesagt, alles ist möglich“, schmunzelt er heute, „und habe immer das Maximum dafür gegeben.“ In der Schulmannschaft seiner Heimatstadt Bar in Montenegro begann er als Neunjähriger. Mit 13 Jahren war Mornar Bar sein erster Verein. Das Talent reifte. Vier Mal erhielt Goran Stojanovic die Auszeichnung „bester Torwart Montenegros“. Mit 17 Jahren stand er als Torwart von Priboj bereits im Pokalfinale gegen Roter Stern Belgrad. Der Hauptstadt-Klub kam auf den Geschmack und verpflichtete den Keeper, der später auch für Lovcen Cetinje zwischen den Pfosten stand. Mitten im Herzen des gebirgigen Montenegros.
Doch als sich der einstige montenegrinische Regionalverband zur nationalen Handball-Sektion umstrukturierte und der IHF sowie der EHF im August 2006 beitrat, war der Keeper längst im Ausland. Über Grashoppers Zürich fand er 2005 den Weg in die Bundesliga – zum VfL Pfullingen, der nach der Saison Insolvenz anmelden musste. Während die Experten anfangs noch über das „Double“ vom Hamburger Namensvetter sprachen, baute sich der elf Jahre jüngere Keeper über gute Leistungen bald eine eigene Identität auf. Nicht umsonst griff vor knapp zwei Jahren der VfL Gummersbach zu. „Wenn so ein erfahrener Torwart auf dem Markt ist“, sagte VfL-Trainer Alfred Gislason, „darf man nicht lange zögern.“ Der Neuzugang setzte sich schnell gegen die beiden Kollegen Nandor Fazekas sowie Christian Ramota durch und wurde die Nummer eins.

Auf die Frage, ob Torhüter, wie gerne behauptet wird, verrückt seien, lacht Goran Stojanovic: „Ja, Torhüter sind schon eine Sorte für sich.“ Aber der Mann mit dem markanten Profil ist keiner von denen, die das mit exzentrischer Frisur oder sonstigen Albernheiten zur Schau stellen. Vielmehr ist er ein ruhiger, ganz ausgeglichener Zeitgenosse. Lediglich, wenn die Mannschaft sich beim Training mit dem Fußball warm macht, gehört er zu jenen, die man lieber im eigenen Team hat. Eine gewisse Verrücktheit sieht er jedoch darin, dass Torhüter im Mannschaftssport Handball mehr auf sich gestellt sind als die Feldspieler und diese Sonderstellung auch gerne einnehmen: „Fehler von Rückraumspielern fallen nicht immer auf“, erklärt Goran Stojanovic. „Aber beim Torwart können die Leute jeden Fehler sehen.“
Übrigens: Die Europameisterschaft endete für Montenegro mit einem Achtungserfolg. „Jeder Sieg, ja jeder Punkt wäre eine schöne Überraschung“, glaubte Goran Stojanovic im Vorfeld. „Für uns ist es schon ein großer Erfolg überhaupt dabei zu sein.“ Gegen Russland erreichte die kleine Nation tatsächlich ein Unentschieden und qualifizierte sich für die Hauptrunde. Sechs Spiele in Norwegen – damit hatten vorher nur ganz wenige gerechnet.