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Andrej Siniak: Der Stratege auf dem Handballfeld

In Hamburg erzählt man sich noch immer die Geschichte, wie Andrej Siniak einmal Schach spielte. Es war im Frühjahr 2004, als sich fast 2000 Schüler im Hamburger Congress-Centrum zu einem großen Schachturnier trafen. Ein Highlight im Rahmenprogramm: eine Partie zwischen dem Handballprofi und einem Siebenjährigen. Der 93-malige weißrussische Nationalspieler stibitzte dem Kontrahenten schnell die Dame, kurz darauf hieß es „Schachmatt“. Es soll das erste Mal gewesen sein, dass Andrej Siniak sich am Schachbrett versuchte. Strategisches Denken scheint bei ihm also angeboren zu sein.
Inzwischen ist Andrej Siniak längst weitergezogen. Im Sommer 2005 verstärkte er die SG Kronau-Östringen, um dabei zu helfen, den damaligen Aufsteiger im Handball-Oberhaus zu etablieren. Nun heuerte er wieder bei einem Aufsteiger an – bei TUSEM Essen. In Westdeutschland hält man große Stücke auf den „Handball-Strategen“. Als Leitwolf soll der 35-Jährige den TUSEM-Angriff steuern. Eine Funktion, die er zuletzt sogar wahrnahm, obwohl er sich schon mit Schulter-Problemen herumschlug.

Andrej Siniak

Der Kampf um den Klassenerhalt wird für TUSEM allerdings ein schweres Unterfangen. „Der Verein hat zwar eine lange Tradition und gewann erst vor zwei Jahren den EHF-Cup“, betont Andrej Siniak. „Nach den finanziellen Problemen, dem Zwangsabstieg und der jetzigen Rückkehr gibt es für uns nur eine Aufgabe: viele Punkte sammeln, um den Klassenerhalt zu sichern.“ Kein Wunder, dass die 15-minütige Fahrt zum Training längst „automatisch“ abgespeichert ist.
Dabei begann die Zeit an der Ruhr für Andrej Siniak ungewöhnlich – mit einem zweitägigen Trip in die Wälder bei Wetzlar. Bei einem besonderen Trainingslager lebten die TUSEM-Handballer recht spartanisch: In einer Blockhütte ohne Wasseranschluss wurde im Gemeinschaftsraum in Schlafsäcken genächtigt. Die Tage wurden mit Übungen verbracht, die fast allesamt zur Kategorie „vertrauensbildende Maßnahmen“ zählten. So musste sich die Mannschaft mit verbundenen Augen den Weg durch ein Waldstück bahnen. Angeführt von Kreisläufer-Hüne Mark Dragunski hielt sich jedes Mitglied dieser „Karawane der Sichtlosen“ mit seinen Händen an den Schultern des Vordermannes fest.
In Flensburg hat man übrigens „schmerzhafte“ Erinnerungen an Andrej Siniak. Erst im letzten September wähnten sich die alteingesessenen Fans der SG Flensburg-Handewitt in einer „Zeitmaschine“. Im April 2000 traf nämlich ein gewisser Andrej Siniak für den TBV Lemgo mit dem Schlusspfiff ins Schwarze und entriss der SG einen Zähler. Im Mai 2003 war es erneut jener Andrej Siniak, diesmal im Dress des HSV Hamburg, der mit einem Gewaltwurf in letzter Sekunde einen SG-Sieg in ein dürftiges Remis verwandelte. Natürlich war er es, der sich im Hinspiel zwei Sekunden vor Ultimo ein Herz fasste und den Ball ins linke, obere Toreck schleuderte. 29:29 – der SG-Triumph war abermals futsch. Andrej Siniak ist offenbar nicht nur ein Spieler mit strategischem Denkvermögen, sondern übernimmt auch Verantwortung im entscheidenden Moment.