Andreas Thiel, Volker Zerbe und auch Holpi sagen, dass der Ernst des Lebens erst losgeht, wenn ein Spieler mit der Profikarriere aufhört und zu „arbeiten“ anfängt. Kannst Du das bestätigen?
Stefan Kretzschmar: Na ja. Ich habe in den letzten Monaten sehr viele neue Erfahrungen gemacht. Die waren nicht alle schön. Ich arbeite tatsächlich viel, schätze aber die neue Unabhängigkeit in meinem Leben sehr. Ich bestimme alles selbst und trage auch für meine Entscheidungen die alleinige Verantwortung. Das ist als Teil einer Profimannschaft nicht immer so. Das erlebe ich als eine neu gewonnene Freiheit. Ich steige spontan in einen Flieger, wenn ich ein Talent sichten muss und habe auch mal ein freies Wochenende. Es ist aber alles noch relativ frisch, du kannst mir in einem Jahr die gleiche Frage stellen. (lacht)
Wenn ein Spieler eine schlechte Phase hat, verzeiht ihm das Publikum nach dem ersten gewonnenen Spiel. Wenn Funktionäre falsche Entscheidungen treffen, kann das schon mal den Kopf kosten. Wie gehst du damit um?
Stefan Kretzschmar: Keine Ahnung, bis jetzt habe ich noch keine falsche Entscheidung getroffen. (lacht) Aber im Ernst: Was das betrifft, möchte man bestimmt ab und zu wieder ein Spieler sein. Die Konsequenzen seiner Entscheidungen muss man sich immer bewusst machen und sie auch in Kauf nehmen. Positive Entscheidungen sind, wie Siege auf dem Spielfeld. Die Leute klopfen dir auf die Schulter, und alles ist schön. Wenn man eine Fehlentscheidung getroffen hat, dann muss man hoffen, dass man daraus lernt. Ich habe keine Angst davor, denn nur so kann man sich weiterentwickeln.
Als Spieler hast du den Ruf gehabt, gerne zu feiern und dich auch leidenschaftlich Anordnungen zu widersetzen. Jetzt bist du derjenige, der „anordnet“. Fällt dir diese Rolle schwer?
Stefan Kretzschmar: Ja, das ist wirklich nicht so einfach. Ich habe kein Problem mit meiner Autorität, die Spieler haben auf mich auch schon früher gehört. Ich musste aber für mich verarbeiten, dass ich kein Teil der Mannschaft mehr bin sondern der „Feind“ auf der Bürokratieseite. Und dem Feind auf der „anderen Seite“ wird nicht mehr alles anvertraut. Auch wenn ich mit mehreren Spielern befreundet bin, kriege ich nicht mehr alles mit, und mir werden auch nicht die Party-Adressen zugesteckt.
Und nehmen dich die Spieler auch ernst?
Stefan Kretzschmar: Na, davon gehe ich aus. Es muss privat und geschäftlich getrennt werden. So einfach ist das natürlich nicht immer. In der Freizeit hat man miteinander viel Spaß und auf dem Spielfeld verlangt man einen anderen Respekt. Es fällt mir noch manchmal schwer, aber das lerne ich noch alles.
Du hast jetzt in Magdeburg, in einer wahrlich schweren Phase auch das Traineramt mit übernommen. Gibt es etwas, was du für den Verein nicht machen würdest?
Stefan Kretzschmar: Nee.
Ich habe mit einer witzigen Antwort wie „Wischer“ in der Halle oder so was gerechnet.
Stefan Kretzschmar: Auch das würde ich machen, wenn es hilft, dass wir diese schwierige Situation überleben und weiter sportlich erfolgreich sind!