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Nordhorn knackt den Flensburger Heimnimbus

22 Monate hatte die SG Flensburg-Handewitt zu Hause keine Bundesliga-Partie verloren. „Ich habe von dieser Siegesserie im Hallenheft gelesen“, schmunzelte Goran Sprem, als er sich auf dem Weg zum Mannschaftsbus machte. Ausgerechnet er, der einst für die Flensburger spielte, beschloss den dramatischen Nachmittag mit dem „Golden Goal“. Neun Sekunden vor Schluss hatte Lars Christiansen mit einem Heber von Linksaußen den viel umjubelten 30:30-Ausgleich für die Gastgeber erzielt, als die HSG wie eine Spitzenmannschaft konterte.

Ola Lindgren jubelte über zwei Punkte.

Der Sieg der Handballer aus der Grafschaft Bentheim war durchaus verdient. Nur sechs Minuten wirkten sie indisponiert, luden die Hausherren zu schnellen Gegenstößen ein. Dann – es hieß 6:2 – nahm Ola Lindgren seine Auszeit und „verbannte“ Torwart Nikola Katsigiannis wie Piotr Przybecki für den Rest der Spielzeit auf die Bank. Die Einwechslungen waren goldrichtig. Erlend Mamelund stellte sich voll in den Dienst der Mannschaft, während Peter Gentzel mit all seiner Routine zum Fels in der Brandung wurde. 18 Paraden – Kent-Harry Andersson stöhnte mehrfach: „Meine Schützen hatten zu viel Respekt.“
Zugleich gelang es dem HSG-Mittelblock in der 6:0-Abwehr, die Flensburger Kreisposition fast völlig abzumelden, während sich Ljubomir Vranjes und Marcin Lijewski zu viele Fehler leisteten. Als Nordhorn sieben Minuten vor Schluss mit 27:25 führte, wähnte manch einer die Gäste bereits auf der Siegerstraße. Die Hausherren blieben aber dran, weil Shooter Blazenko Lackovic erstmals seit seiner langen Verletzungspause Akzente setzte und eine Umstellung auf ein 5:1-Abwehrssystem kurzfristig Irritationen im sonst von Maik Machulla gut geführten HSG-Angriff auslöste. Im Schlussspurt waren die Gäste aber die abgeklärtere Mannschaft. 

Die Trainer-Stimmen

Kent-Harry Andersson, SG Flensburg-Handewitt: „Wenn man so viele technische Fehler macht, wird das gegen Nordhorn bestraft. Wir konnten leider nicht über 60 Minuten so spielen wie in den ersten zehn.“
Ola Lindgren, HSG Nordhorn: „Entscheidend war, dass unsere Abwehr sehr stabil war und Flensburg deshalb sehr viel aus dem Rückraum werfen musste. Bei Würfen aus der zweiten Reihe ist Peter Gentzel sehr stark.“

SG Flensburg-Handewitt: Drei Heimpleiten in einem Monat

Die Spieler der SG Flensburg-Handewitt standen wie begossene Pudel auf dem Parkett und registrierten die erste Bundesliga-Niederlage der Saison. Und die erste Ligapleite seit dem 20. Dezember 2005 vor heimischer Kulisse – nach 29 Partien. Statt der erhofften Eroberung der Tabellenspitze plagte die Verantwortlichen noch ein „statistisches Unheil“. Die SG kassierte mit den Königsklassen-Schlappen gegen Lubin und Ciudad Real gleich drei Heimniederlagen binnen eines Monats. „Das ist doch unsere Halle“, wetterte Sport-Direktor Anders Dahl-Nielsen über die rätselhafte Erfolgslosigkeit, die sonst nur Abstiegskandidaten kennen.

Es lief nicht immer rund im SG-Getriebe.

Besonders viele Diskussionen löste das letzte Nordhorner Tor aus, das nur sieben Sekunden nach dem 30:30-Ausgleich von Lars Christiansen fiel. Abwehr-Stratege Daniel Kubes eilte schnell mit nach vorne, wurde zwar von Flensburgs Haudegen Johnny Jensen attackiert, schaffte es aber noch zu Goran Sprem auf die linke Außenbahn zu passen. Der ließ Ljubomir Vranjes stehen und überwand zwei Sekunden vor Schluss SG-Torwart Dan Beutler souverän. Eine Leichtigkeit, die SG-Trainer Kent-Harry Andersson nicht verstand: „Wenn man so kurz vor Schluss den Ausgleich macht, darf man nicht mehr verlieren.“ Er sprach indirekt das aus, was viele dachten: Der ballführende Nordhorner Spieler hätte irgendwie gestoppt werden müssen. „Unser Rückzugsverhalten war heute wirklich schlecht“, haderte Dan Beutler.
Insgesamt sah Kent-Harry Andersson die Probleme aber weniger im Defensivverhalten. „Wir haben einfach zu viele Fehler im Angriff gemacht“, meinte er und verwies auf fehlende Alternativen. So hätte Alexander Petersson wegen eines Bänderrisses nur auf Rechtsaußen spielen können. „Wir mussten auf die Wurfkraft von Marcin Lijewski und Blazenko Lackovic, der noch nicht die Kraft für 60 Minuten hat, hoffen.“ Das war zu wenig.
„Besonders ärgerlich“, fügte Anders Dahl-Nielsen an, „ist es, dass wir die Niederlage in dieser Woche nicht wettmachen können.“ Die Spieler sind wegen diverser Länderspiel-Einsätze in alle Winde verstreut. Nur Torge Johannsen und Ljubomir Vranjes („Er hat zuletzt genug Handball gespielt“) bleiben im SG-Stall, während die Woche für andere in richtigen Stress ausartet. Etwa für Michael Knudsen, Lars Christiansen und Kasper Nielsen. Schon am Sonntag traf sich die dänische Auswahl zu einem Lehrgang, ehe es am Dienstag nach Tunesien geht, um dort ein Vier-Nationen-Turnier zu bestreiten. Am Samstagabend geht es zurück nach Dänemark, am Sonntag nach Flensburg – und schon am Montag reist der SG-Tross zum Pokalspiel in Nordhorn. „Dort wollen wir uns revanchieren“, kündigte Anders Dahl-Nielsen an, „und zeigen, wie viel Substanz in der Mannschaft steckt.“ 

HSG Nordhorn: Der „Poker“ um Holger Glandorf

Holger Glandorf, dessen sportliche Zukunft ab der nächsten Saison weiter ungewiss ist, dürfte im Moment der gefragteste Handballer Deutschlands sein. Bis auf den THW Kiel haben alle Bundesliga-Spitzenklubs dem 24-Jährigen ein Angebot unterbreitet. So langsam scheint sich der Kreis der Kandidaten zu lichten. In Hamburg ließ Holger Glandorf eine Frist verstreichen, Gummersbach kam zu spät in die Hufen. Der TBV Lemgo, wo der Linkshänder mit Lars Kaufmann und Michael Kraus einen „Weltmeister Rückraum“ bilden könnte, und die Rhein-Neckar-Löwen, wo sich Manager und „Pokerface“ Thorsten Storm verdächtig bedeckt hält, sollen noch im Rennen liegen. „Ich habe das Gefühl“, meint hingegen Nordhorns Manager Bernd Rigterink, „dass die Entscheidung zwischen Flensburg und uns fallen wird.“

Holger Glandorf

Aktueller Klub oder Nordlicht? In der letzten Woche war Holger Glandorf zufälliger Weise (oder nicht?) gleich zwei Mal an der dänischen Grenze. Neben dem Spiel am Samstag zu einem Foto-Shooting eines Sportausrüsters. „Vielmehr als Trainingshalle, Spielhalle und Hotel habe ich aber nicht gesehen“, berichtete Holger Glandorf zum potenziellen neuen Wirkungsort. „Flensburg scheint ganz hübsch zu sein und wäre sportlich natürlich eine interessante Aufgabe.“ Auf ein „Ja“ oder „Nein“ des Wunschspielers, der im Sommer den von Hamburg umworbenen polnischen Vize-Weltmeister Marcin Lijewski ablösen soll, wartete SG-Geschäftsführer Fynn Holpert am Samstag aber vergeblich. Zunächst stehen bei Holger Glandorf Nationalmannschaft und Supercup im Vordergrund. Wir haben alles getan, was wir tun konnten“, sagte der Manager. „Die Entscheidung liegt nun bei Holger Glandorf.“ Dieser kündigte sich an, „noch in diesem Monat“ die Entscheidung zu fällen.