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Dramatischer erster Akt endet ohne Sieger

Alles bleibt offen: Das erste Finalspiel in der Champions League endete nach einem nervenzerfetzenden Duell zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem THW Kiel in der Campushalle 28:28 (10:12). Die Flensburger Träume erhielten einen Dämpfer, die Kieler zeigten, dass sie trotz der Personalmisere ein Titelanwärter sind. Die hochgesteckten Erwartungen an Dramatik und Emotionen wurden noch übertroffen. Die Campushalle kochte gestern, als die beiden besten Vereins-Mannschaften der Welt zum ersten Akt im Kampf um Europas Krone antraten. Und die Handball-Welt darf sich auf eine ebenso packende zweite Runde zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem THW Kiel freuen. 28:28 – da erübrigt sich für das Rückspiel jede Rechnerei. Der Sieger in der Ostseehalle nimmt die Trophäe der Champions League in Empfang.
„Es steht 0:0. Eigentlich ist noch nichts passiert. Einfacher wird es für uns natürlich nicht“, nahm es SG-Manager Thorsten Storm gelassen, dass der erhoffte deutliche Heimerfolg verpasst wurde. In Flensburg hatte über weite Strecken der THW Kiel dominiert, der sich auch ohne fünf verletzte Weltklassespieler überraschend stabil zeigte. Kühl balancierte der deutsche Meister zwischen Nüchternheit und Explosivität, während die Flensburger nie die passende mentale Einstellung fanden. „Wir haben mit viel Herz und wenig Kopf gespielt“, meinte Storm.
In der ersten Halbzeit war es vor allem der Flensburger Angriff, der weit unter seinen Möglichkeiten blieb. Nach furiosem Beginn mit einer 4:2-Führung schien die SG die Courage zu verlieren. „Wir haben zu wenig an uns geglaubt“, registrierte Linksaußen Lars Christiansen, der fortan aber wenigstens als sicherer Strafwurfschütze die Chancen der SG für das Rückspiel am Leben hielt. „Dass er gegen Thierry Omeyer alle Siebenmeter verwandelt, hätte ich nie für möglich gehalten“, staunte SG-Schatzmeister Helmut Ermer.

Ljubomir Vranjes ist der Hoffnungsträger.

Dagegen ließen sich die SG-Rückraumschützen vom französischen Zauberer im THW-Tor und der vor ihm aufgebauten Abwehrreihe schon eher beeindrucken. Omeyer steigerte sich nach verhaltenem Beginn in gewohnte Weltklasse-Form, Pelle Linders war als Halbverteidiger ein glänzender Lövgren-Vertreter. Die Flensburger Boldsen, Lijewski und Lackovic waren nur selten in der Lage, das typische schnelle SG-Kombinationsspiel aufzuziehen. Hier wurde der gesperrte Spielmacher Ljubomir Vranjes schmerzlich vermisst. Schwer erarbeitete Halb- und Viertelchancen waren zu wenig, um den anfänglichen Vorsprung auszubauen.
So gewann zunehmend der THW die Kontrolle über die Partie, weil er mit Zeitz und später Andersson in der Rückraummitte auch hier die Lövgren-Lücke füllen konnte. „Ich war sehr zufrieden mit der Abwehrarbeit in der ersten Halbzeit“, sagte SG-Trainer Noka Serdarusic. „Nach der Pause war aber unser alter Mann (Xepkin – Red.) ausgepowert. Niemand hätte einen Cent darauf gesetzt, dass wir in Flensburg dieses Ergebnis erreichen. Ich bin zufrieden, weiß aber auch, dass Flensburg besser spielen kann.“
Das ist auch die Hoffnung von Kent-Harry Andersson. „Trotz des Unentschiedens bleibe ich optimistisch. Wir haben die gleichen Möglichkeiten wie der THW“, meinte der schwedische SG-Coach. „Mit Vranjes werden wir viel schneller spielen können.“
Tumultartige Szenen spielten sich in der 49. Minute ab, als der Kieler Zeitz bei einem Tempogegenstoß den Flensburger Keeper Jan Holpert mit einem Kopfschuss niedergestreckt hatte. Die Gemüter waren nur schwer zu beruhigen. Holpert wollte Zeitz an den Kragen, wurde aber von seinen Mitspielern gestoppt. „Ich hoffe nur, dass es keine Absicht war. Das ist das fünfte oder sechste Mal, dass ich so etwas bei Zeitz sehe“, sagte Holperts Kollege Dan Beutler. Übrig blieb als Opfer Frank von Behren, der wie alle Akteure auf die Spielfläche gestürmt war und dafür rätselhafterweise von EHF-Beobachter Moshe Herrmann (Israel) eine Zwei-Minuten-Strafe bekam. Wenig später war das Comeback des Rückraumspielers nach der dritten Zeitstrafe beendet.
Die SG war zu diesem Zeitpunkt zeitweise mit vier Toren ins Hintertreffen geraten, weil die Abwehr miserabel in die zweite Halbzeit gestartet war und Andersson sowie Karabatic zu allzu schmerzfreien Treffern kommen ließ. In der hektischen Schlussphase holte die SG gegen erlahmende Kieler den Rückstand auf und ging sogar in Führung, die Andersson aber Sekunden vor Schluss egalisierte. Es bleibt spannend im Champions-League-Finale.

Zeitz: „Das war keine Absicht“

Christian Zeitz spaltete die Gemüter.

Noch lange nach dem Abpfiff der spanischen Schiedsrichter Vicente Breto Leon/Jose Huelin Trillo wurde eine Szene unter den Spielern und Fans in der Campushalle heiß diskutiert: Der Kopftreffer von Christian Zeitz gegen Flensburgs Torhüter Jan Holpert in 49. Minute war der Aufreger des Spiels. Nach einem Gegenstoß warf der Kieler dem SG-Schlussmann den Ball aus nächster Distanz mit voller Wucht ins Gesicht.
„Das war keine Absicht. Wer mir das unterstellt, der hat keine Ahnung vom Handball. Ich mache doch lieber ein Tor, als den Torwart abzuwerfen“, sagte Zeitz, der sich noch auf dem Spielfeld bei Holpert entschuldigte. Der Flensburger Torhüter, der in einer ersten Reaktion dem Kieler an die Gurgel wollte („Den bring’ ich um“), konnte nach dieser Aktion allerdings nicht mehr weiterspielen. „Das war unglücklich So etwas passiert leider im Handball, aber keiner macht das mit Absicht“, nahm selbst SG-Rauhbein Johnny Jensen seinen Kieler Kollegen in Schutz.