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Wille versetzte Berge

Die SG Flensburg-Handewitt hat zum dritten Mal in Folge das Viertelfinale der Champions League erreicht. Vor der Rekordkulisse von 6300 Zuschauern feierte der deutschen Vizemeister gegen RK Celje dank der besten Saisonleistung einen 36:26-Erfolg und zog trotz einer 31:41-Hinspiel-Niederlage in die Runde der besten acht Teams Europas ein. Angesichts der identischen Differenz der beiden Spielausgänge gab die größere Anzahl in fremder Halle erzielter Tore schließlich den Ausschlag für das sensationelle Weiterkommen.
"Es ist wunderschön, ja fantastisch", konnte der überragende Kreisläufer Michael V. Knudsen die Ereignisse kaum in Worte kleiden. Und sein Landsmann Joachim Boldsen ergänzte: "Wir haben fest daran geglaubt und es hat geklappt." Am kommenden Dienstag richten sich die Blicke der SG gespannt nach Wien, wo um 11 Uhr der Viertelfinal-Gegner ausgelost wird. Die Runde der letzten acht Mannschaften wird Mitte Februar und Anfang März ausgetragen.
Schon nach wenigen Augenblicken war klar, alle SG-Spieler sind heiß "wie Frittenfett", konzentriert vom Zeh bis in die Haarspitze und bereit zu einer Machtdemonstration auf allerhöchstem Niveau. Es war Joachim Boldsen, der die ersten Initialzündungen von der Spielmacher-Position aus setzte. Mit der klassischen 5+1-Abwehr, in der Eduard Kokscharov die Kreise von Blazenko Lackovic einengen und damit den Rhythmus der SG brechen sollte, hatte Celje dieses Mal nicht das passende Rezept parat. Im Gegenteil. Die hochmotivierten Hausherren brannten von allen Positionen aus ein Feuerwerk ab, überzeugten dabei sowohl aus dem Konterspiel heraus wie auch durch geschickte Spielzüge, mit denen die Celje-Defensive nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen wurde.

Auch Viggo Sigurdsson war voll bei der Sache.

Die Ausgangslage für den tempogeladenen Gala-Auftritt legte die SG allerdings in der Defensive. Mit einer aggressiven, enorm beweglichen und festentschlossenen 6:0-Formation sowie einem überragenden Torhüter Jan Holpert startete die SG die schier aussichtslose Aufholjagd. Selbst als sich Marcin Lijewski (5.) und wenig später auch Blazenko Lackovic (8.) beim 4:1 kurzzeitig verletzungsbedingt auf der Bank behandeln lassen mussten, ließ sich die SG kaum aus dem Konzept bringen.
Ab dem 5:5 (11.) trieb vor allem der wiedergenesene Lijewski sein Team mit sagenhaften Toren und brillianten Anspielen voran und wies den Weg ins Viertelfinale. Mit jeder Minute, in der die SG unter dem frenetischen Jubel der 6300 Fans den Vorsprung kontinuierlich über 10:7 (16.) und 15:9 (23.) ausbaute, wuchs der Glaube an das Wunder von der Förde. Wie aus einem Guß überrollten die Gastgeber den Champions League-Sieger von 2004, der sich immer stärker beeindruckt zeigte.
Nur äußerst selten stachen die Celje-Trümpfe Renato Sulic, Eduard Kokscharov, Miladin Kozlina und Siarhei Harbok. Gegen dieses fulminant kämpfende 6:0-Bollwerk mit einem in Weltklasse-Form auftrumpfenden "Magier" Holpert waren sie häufig wirkungslos. Als die Hallenuhr nach 30 ungemein unterhaltsamen Spielminuten den 20:12-Pausenstand signalisierte, war selbst dem letzten der 230 Celje-Anhängern klar, dass dem slowenischen Meister nur sieben Tage nach dem rauschenden Höhenflug (41:31) ein erstklassiger Absturz blühte.
Die Ereignisse der zweiten Spielhälfte sollten auch den letzten Zuschauer von der Sitzschale der Campushallen emporreißen. Spannung und Dramatik pur bestimmten den zweiten Durchgang, in dem die SG mehrfach die Tür zum Viertelfinale weit aufgestoßen und mit einem Bein schon durchgegangen war. Beim 23:13 (33.) war der mächtige Rückstand aus dem Hinspiel aufgeholt und die Neuauflage des 2004-Finales komplett auf Null gedreht. Noch besser - zu diesem Zeitpunkt stand die SG erstmals in der Runde des besten acht Teams Europas. Doch es lagen noch ereignisreiche 27 Minuten vor den Gastgebern, bevor aus der Hoffnung endlich Gewissheit wurde.

Blazenko Lackovic markierte das 23:13.

Trotz enormer Kraftverluste gelang es dem Team von SG-Trainer Viggo Sigurdsson den Level in Teamarbeit derart hoch zu halten, dass Celje auch in der Restspielzeit nicht mehr die Wende gelang. Der "Ritt auf der Rasierklinge" nahm für den deutschen Vizemeister schließlich ein gutes Ende.
Mit der Einwechslung von Keeper Dan Beutler für den wahrlich stark haltenden Holpert hatte Sigurdsson einmal mehr ein glückliches Händchen bewiesen, denn der schwedische Nationaltorhüter entnervte die ohnehin recht strapazierten Celje-Schützen komplett. Exemplarisch für den Niedergang der Gäste war der verworfene Siebenmeter von "Mr. Nervenstark" Kokscharov kurz vor dem Schlusspfiff. Ab dem 33:22 (53.) nahm die Sensation immer klarere Konturen an und mit Glück, Geschick und der größeren Portion Siegeswillen versetzten die
Lackovic und Co. dem slowenischen Rekordmeister schließlich den "Gnadenstoß". Unmittelbar nach dem Schlusspfiff kannte der Jubelsturm in der Campus-"Hölle" keine Grenzen mehr und die "Helden von der Förde" genoßen im Bad der Menge das vollbrachte "Wunder".