Stripes
Stripes
Archiv

Vranjes sogar von Wetzlars Fans gefeiert

Es roch nach Weltmeisterschaft. Hannibal, das Maskottchen der Handball-WM, drehte vor dem Anpfiff seine Runde in der Wetzlarer Rittal-Arena. Vorfreude machte sich breit, schließlich wird man auch in Mittelhessen Augenzeuge des globalen Ereignisses im Januar 2007. Doch obwohl Dragan Markovic, Trainer der HSG Wetzlar, später bekannte, dass „wir heute ein Weltklasse-Team gesehen haben“, war der Funken nicht auf die Ränge übergesprungen. Es waren nämlich die Gäste von der SG Flensburg-Handewitt, die sich dieses Kompliment verdienten, das erste Spiel der Bundesligasaison jeder Zeit bestimmten und letztlich mit dem 32:25 (18:11) für Ernüchterung unter den heimischen Fans sorgten.
Von der Tatsache, dass dem Außenseiter Wetzlar die Leistungsträger Lars Kaufmann und Nebojsa Golic fehlten, ließ sich die SG nicht zu Leichtsinn verleiten. Manager Thorsten Storm warf ein: „Wenn wir den Gegner nicht ernst nehmen, machen wir ihn stark.“

Die Autogramme der SG waren auch in Wetzlar gefragt.

Dazu kam es nicht. Die Abwehr stand konzentriert, dahinter hielt Dan Beutler 15 Bälle. Ein hessischer Medienvertreter witterte schon eine Vorentscheidung in einem möglichen SG-internen Torwart-Duell. „Nein, nein“, sagte SG-Interimsrainer Viggo Sigurdsson. „Jan Holpert war nur etwas verletzt.“ Die Gäste konnten es sich leisten, ihr Torwart-Denkmal (Adduktoren-Verhärtung), Kreisläufer Michael Knudsen (Fußverletzung) und später auch den bis dahin sehr solide agierenden Frank von Behren (Reizknie) zu schonen. „Wetzlar war nicht wirklich ein Gegner, der uns gefordert hatte“, sagte der SG-Neuzugang, der gerade zum zweiten Mal Vater einer Tochter geworden ist.
Leicht und locker fanden die Gegenstöße ihren Weg ins Wetzlarer Gehäuse, während im Positionsangriff Marcin Lijewski und vor allem Ljubomir Vranjes glänzten. Der „SG-Mini“ tanzte seine Gegenspieler nach Belieben aus und mauserte sich zum Giganten in punkto Publikums-Resonanz. „Mann, verrückt“, staunten nicht wenige auf den Rängen. Darunter SG-Präsident Frerich Eilts, für den gerade der Auftritt von Ljubomir Vranjes ein wichtiger Beitrag zu einen „rundum gelungenen Abend“ war. Und Maskottchen Hannibal musste gedacht haben: „Schade, dass Schweden nicht bei der WM dabei ist.“
Die Hessen konnten einem Leid tun. Statt Lars Kaufmann mühte sich ein gewisser Marcus Hock im linken Rückraum, auf der Spielmacher-Position agierte Bundesliga-Neuling Timo Salzer. Der taute aber nach 20 Minuten auf und mauserte sich zum „Mann des Tages“ im Wetzlarer Dress.

Lars Christiansen kommt zum Torwurf.

Dennoch: Die Hausherren hatten nie eine reelle Chance gegen den Favoriten. „Wir haben ängstlich gespielt“, musste Wetzlars Coach Dragan Markovic hinterher eingestehen. „In die Würfe haben wir teilweise nur 50 Prozent gelegt.“ Zum Schluss pfiff das Publikum sogar das eigene Team lautstark aus. „Unsere jungen Spieler brauchen Rückendeckungen und viel Geduld“, forderte Rainer Dotzauer, Wetzlars sportlicher Leiter.
SG-Trainer Sigurdsson hatte sich in der Anfangsphase über eine Fehl-Entscheidung der Referees dermaßen aufgeregt, dass er gleich eine gelbe Karte kassierte. Das Gemüt beruhigte sich angesichts des klaren Spielverlaufs schnell. In Euphorie brach aber niemand aus. „Auf einer Skala von eins bis zehn“, räumte Ljubomir Vranjes ein, „sind wir sicherlich erst bei sechs angekommen.“ Für Wetzlar und das WM-Maskottchen Hannibal war diese Leistung aber schon „weltmeisterlich“.