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Bitteres Deja-vu für die SG Flensburg-Handewitt

War es das schon für die SG Flensburg-Handewitt in der Champions League? Das Finale ist nach dem 22:31 in Ciudad Real fast unerreichbar.
„Los jetzt, etwas mehr Ernst!“ Kent-Harry Andersson war genervt vom  lockeren Treiben beim Abschlusstraining am Sonnabend in der Quijote-Arena von Ciudad Real. Der Trainer der SG Flensburg-Handewitt wollte Kombinationen gegen eine 5:1-Abwehr üben lassen, aber nichts, was seine Spieler dort aufführten, sah richtig rund aus. Die Laune der SG-Handballer war allerdings prächtig an diesem Abend vor dem ersten Halbfinale in der Champions League, aufgeräumt wie auf einem Wochenend-Ausflug.

Die SG während der Aufwärmphase.

24 Stunden später war der Spaß vorbei. In einem bitteren Deja-vu erwachte der deutsche Vizemeister aus dem Traum vom Finale in der Königsklasse. Der erste Akt der Vorschlussrunde ging mit dem exakt gleichen Resultat wie schon das Auswärtsspiel im Pokalsieger-Wettbewerb 2002 an BM Ciudad Real. 31:22 — das fühlt sich schon wie der K.o. an. Von einer „Demütigung“ sprach SG-Präsident Frerich Eilts, von „Kaninchen vor der Schlange“  Thorsten Storm. „Wenn man im Halbfinale der Champions League nicht voll da ist, dann hat man in der gedanklichen Vorbereitung etwas falsch gemacht“, meinte der SG-Manager.
Zwei entscheidende SG-Trümpfe stachen an diesem Nachmittag im spanischen Frühling nicht. Weder Glenn Solberg als Spielmacher noch Blazenko Lackovic auf der halblinken Königsposition kamen annähernd an die Leistung heran, die angesichts ihrer Talente zu erwarten ist. Das, so stellt es sich mit etwas Abstand zum Debakel in Ciudad Real heraus, war der ganze Unterschied. Natürlich ist die Torquote vom Kreis zu erwähnen, aber die ist eben eng verknüpft mit den Möglichkeiten, die der Rückraum schafft.  Solberg blieb ohne jede Wirkung und Johnny Jensen hinter dem französischen Muskelgebirge Didier Dinart verschollen. Auf den anderen Seite dagegen fanden Alberto Entrerrios und Siarhei Rutenka immer wieder den ungeheuerlichen Rolando Urios, der in Ballbesitz entweder ein Tor oder einen Strafwurf garantiert.
Rutenka traf zudem selbst acht Mal. Der Slowene mit der phänomenalen Athletik war einfach nicht zu halten. Oder doch? „Dann muss man den eben härter anfassen“, forderte Storm. Er war nicht der einzige, der sich wunderte, dass sich die SG in einem so bedeutsamen Spiel gerade mal mit einer Zeitstrafe begnügte. Das kündet nicht von bedingungslosem Einsatz. Die Gastgeber zeigten keine Scheu. Als Lackovic in der zweiten Halbzeit gerade begann, aus seinem Tief aufzutauchen, rammte ihm Dinart eben mal das Knie in die Häfte. Wieder war der Kroate eine Viertelstunde außer Gefecht.

Blazenko Lackovic hatte Probleme mit der Atmung.

Schon kurz nach Beginn der Partie war Lackovic zur Bank gekommen und hatte um Auswechslung ersucht: „Ich war plötzlich ganz müde, mir war schwarz vor Augen.“ Er hyperventilierte, atmete also zu heftig, was zur Folge hat — und hier staunt der medizinische Laie —, dass im Gehirn zu wenig Sauerstoff ankommt. Ursache: vermutlich Aufregung.
Es wird einiges zu bereden sein in dieser Woche. Lackovic muss sich der internen Kritik stellen, Solberg und Andersson müssen analysieren, was gegen die 5:1-Abwehr zu tun ist. Und es wird diskutiert werden, ob es reicht, nur ein Abwehrsystem zu beherrschen. „Wir brauchen eine Alternative zur 6:0-Deckung. Man kann auf Dauer nicht nur einer Deckung blind vertrauen“, meinte Joachim Boldsen.
Immerhin sorgten Linkshänder Marcin Lijewski und Linksaußen Goran Sprem  dafür, dass die SG auf diesen Positionen auf Augenhöhe mit Ciudad Real blieb. Auch die SG-Torhüter Dan Beutler und Jan Holpert müssen den Vergleich mit Arpad Sterbik nicht scheuen. Sören Stryger kam ebenso wie Mirza Dzomba auf zwei Feldtore.
Fazit: Die Probleme der SG sind nicht unlösbar. Ob die Lösung freilich reicht, um Ciudad Real am Sonnabend (15.15 Uhr) in der Campushalle mit zehn Toren zu schlagen, steht auf einem anderen Blatt. „Ich glaube, dass wir im Rückspiel eine Chance bekommen. Vielleicht ist das Zweckoptimismus, aber so muss man da rangehen“, sagte Jan Holpert.
Wer pessimistisch denkt, muss den Kauf des Rückspiel-Tickets nicht bereuen. Er wird eine Versammlung von erstklassigen Handballern sehen, die ohne Beispiel ist. Weil sich ein reicher Mann in seinem Städtchen mitten in der „Walla-Pampa“ offenbar langweilt und nach Zerstreuung im Sport sucht, bekommt Trainer Talant Dushebajew von Mäzen Domingo Diaz de Mera, wen er will. Über welche Möglichkeiten der Immobilien- und Medienunternehmer verfügt, illustriert eine Anekdote, die Linksaußen Jonas Källmann erzählte. Real Madrid hatte den Ciudad-Boss angeboten, seine Handballer in die Hauptstadt zu verkaufen. Dann könnte man die Rivalität zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid in zwei Sparten pflegen. Senor de Mera antwortete kühl, an einem solchen Geschäft habe er kein Interesse, dafür an einem anderen: „Ich würde gern ihren Fußball-Club kaufen.“