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Lübbecke schnuppert an Sensation

„Auch wenn wir nur mit einem kleinen Kader angereist sind“, sagte Jens Pfänder, „haben wir uns etwas ausgerechnet.“ Obwohl Lübbecke nur als Elfter kam, schmunzelte niemand in der Pressekonferenz; denn die Worte des TuS-Trainers hatten ein festes Fundament. Der Außenseiter präsentierte sich alles andere als ein Außenseiter. Den Ausfall von Patrick Fölser (Muskelfaserriss) und Fabian van Olphen (Kapselriss), beides wichtige Säulen in der Defensive, kompensierten die Nettelstedter mit einer 5:1-Abwehr. „Mit Aggressivität haben wir die großen Flensburger Schützen unter Druck gesetzt“, freute sich Jens Pfänder. Zudem brauchte Keeper Nandor Fazekas – Kollege Thorsten Friedrich laboriert an einem Innenbandriss – keinen Vertreter; er nervte immer wieder die Hausherren und kitzelte bei den Zuschauern ein fassungsloses Stöhnen heraus. Selbst zwei Siebenmeter blieben an ihm hängen.
Wenig aufmunternd war das Spiel des Favoriten, der nur mit Mühe dem schnellen Spiel der Lübbecker folgen konnte. Die ordnende Hand eines Glenn Solbergs (Magen Darm-Virus) fehlte. Joachim Boldsen (unter der Woche erkältet) musste sich allein durchbeißen, da auch Christian Berge (Oberschenkel-Zerrung) nicht mitwirken konnte. Letztendlich war die Bank der Lübbecker mit neun Feldspielern aber zu schmal besetzt. Mitte der zweiten Hälfte nutzten die Flensburger fünf schwache Minuten des Gegners, um sich ein Drei-Tore-Polster anzulegen. Dennoch gingen viele Zuschauer ratlos nach Hause: „Was war das denn für ein Spiel?“ Die Antwort aller Beteiligten: kein schönes. 


Die Trainer-Stimmen
Kent-Harry Andersson, SG Flensburg-Handewitt: „Ich wusste schon vorher, dass uns heute nur 60 Minuten Kampf helfen können. Viele der EM-Teilnehmer hatten unter der Woche nicht so viel Lust auf Handball.“
Jens Pfänder, TuS N-Lübbecke: „Mit einem aggressiven Abwehr-System konnten wir die großen Schützen 50 Minuten lang unter Druck setzen. Am Ende gaben die personelle Situation auf der Bank und das Verhalten bei Eins-zu-eins-Situationen den Ausschlag – gegen uns.“

SG Flensburg-Handewitt: Müde Spieler

Die Campushalle musste lange zittern.

Wie viel besser war die SG Flensburg-Handewitt als der Gast? Für einen Fan hatte der Unterschied einen Namen: „Jan Thomas Lauritzen“. Der Norweger traf bei seinem Debüt vier Mal ins Schwarze und sorgte damit rein rechnerisch für die Differenz gegen seinen Ex-Klub. Kent-Harry Andersson schmunzelte über die „Milchmädchen-Rechnung“: „Ich muss mich noch einmal bei Jens Pfänder bedanken“, blickte er zu seinem Kollegen, der sich wie Manager Sigi Roch beim vorzeitigen Wechsel des 32-Jährigen kooperativ verhalten hatte. „Wir haben einen sicheren Spieler bekommen.“ Auch der Gelobte war zufrieden. „Ich bin gut in die Partie gekommen“, sagte Jan Thomas Lauritzen beim Signieren seiner ersten Flensburger Autogrammkarten. „Ich kenne aber längst noch nicht alle Spielzüge.“
Dafür war im Prinzip auch keine Zeit. Gleich zehn Akteure weilten bei der Europameisterschaft in der Schweiz. Danach hatten Kroaten und Dänen noch bis Mitte der Woche frei. Zudem war das taktische Training durch den zeitweiligen Ausfall aller drei Spielmacher stark gestört. „Wir sind alle müde“, stammelte Kapitän Sören Stryger, der selbst mit Knie-Beschwerden ins Rennen ging. „Fast alle sind angeschlagen.“ Auf Michael Knudsen passte dieses Urteil nicht zu. Doch ausgerechnet ihm passierte das größte Missgeschick. Nach rund 20 Minuten verletzte sich der Kreisläufer am Knie: Muskelfaserriss, rund sechs Wochen Pause. „Das ist wirklich bitter“, fluchte SG-Manager Thorsten Storm. „Er hatte in der ersten Hälfte wie zuletzt bei der EM überragend gespielt.“
Damit sieht es ganz so aus, als ob die SG auch im Champions-League-Knüller gegen den THW Kiel auf ihren dänischen Neuzugang verzichten muss. Gerade in diesem Wettbewerb hegte man an der dänischen Grenze bislang die größten Träume. In der Meisterschaft haben die Flensburger inzwischen die Rolle der „zweiten Geige“ angenommen. „In der Liga gibt es eine klare Nummer eins“, betonte Thorsten Storm unlängst. „Wir haben zwar noch unsere Chancen, doch das Niveau der Kieler müssen wir erst einmal erreichen.“ Vom Ausrutscher der Kieler in Minden ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
Auf dem Transfermarkt hofft der Geschäftsführer in dieser Woche den Nachfolger von Glenn Solberg präsentieren zu können: „Wir hatten gute Gespräche.“ Außerdem soll die SG neben Kiel, Kronau-Östringen und Gummersbach um die Dienste von Lars Krogh Jeppesen (Barcelona) buhlen. 

TuS N-Lübbecke: Achtungserfolg

Jan Thomas Lauritzen: Debüt gegen Ex-Klub

Es war Mittag am Wiehen, als ein Bus voller Fans zur „Mission Impossible“ aufbrach. Ein Punkt war angesichts zahlreicher Verletzungsprobleme – nur elf Spieler fanden sich im Protokoll – in weite Ferne gerückt. Nach dem Schlusspfiff lagen Jubel und Ärger bei den mitgereisten Anhängern dicht zusammen. Die Nettelstedter schnupperten am Sieg. „Unser Sieg war glücklich“, meinte selbst SG-Urgestein Manfred Werner.
Während die Schlachtenbummler sich zeitweise die Augen rieben angesichts der forschen Spielweise ihres Teams, bekam Igor Andryushchenko ganz große Augen. Der Ukrainer feierte für einige Minuten, hauptsächlich in der Abwehr, sein Bundesliga-Debüt. „Das ist ja alles unglaublich, ein ganz anderes Niveau als in der Ukraine“, staunte der 23-Jährige neben der sportlichen Rasanz auch über die professionelle Präsentation des Handballs in Flensburg. TuS-Manager Sigi Roch und Jens Pfänder hatten Igor Andryushchenko bei der EM entdeckt und als „Mitbringsel“ unter Vertrag genommen – zunächst bis Sommer. „Er ist eine Perspektive für die nächste Saison“, urteilt Jens Pfänder. Ein Wunsch, den auch Igor Andryushchenko hat: „Ich hoffe, ich kann mich für einen Zwei-Jahres-Vertrag empfehlen.“ Am Samstag in Flensburg wirkte er aber noch etwas überwältigt von der neuen Situation. Donezk, die Heimat, ist weit weg.