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Ein teurer Zittersieg: Knudsen wieder verletzt

Mit Ach und Krach hat die SG Flensburg-Handewitt den Rücksturz in die Handball-Bundesliga überstanden und den TuS N-Lübbecke mit 35:31 bezwungen. Ganz bitter aber: Erneut fällt Kreisläufer Knudsen lange aus.
Man ahnte, was passieren würde, als Sören Stryger sich nach dem Schlusspfiff noch einmal zum Siebenmeterpunkt schleppte, nur um den Regeln zu genügen. Niemanden interessierte der letzte Strafwurf wirklich, und tatsächlich brachte der Kapitän der SG Flensburg-Handewitt ihn nicht im Tor des TuS N-Lübbecke unter, sondern setzte ihn an die Latte. Für die Statistik war diese Aktion angesichts des feststehenden Flensburger 35:31(17:16)-Erfolgs belanglos, dafür hatte sie hohe Symbolkraft. Nichts ging mehr, alle Reserven waren auf Null gefahren. „Wir haben uns mit letzter Kraft ins Ziel gerettet“, sagte Stryger.
Man hätte sich gewünscht, dass verantwortliche Funktionäre des Europäischen Handballverbandes EHF bei dieser Bundesliga-Partie am Sonnabend in der Campushalle gewesen wären, damit sie einen Eindruck bekommen, was hier mit einem Sport und seinen Protagonisten geschieht. Das Finale der Europameisterschaft war bereits eine ziemlich dürftige  Veranstaltung („wie Melsungen gegen Pfullingen“, so SG-Gesellschafter Manfred Werner). Nur sechs Tage später wurde die SG Flensburg-Handewitt durch die absurde Termin-Mühle zu einem Auftritt gezwungen, der eines deutschen Vizemeisters und aktuellen Tabellenzweiten nicht würdig ist.

Pech - so verletzte sich Michael Knudsen.

Als Zugabe gab es noch die erneute Verletzung von Michael Knudsen, die ohne Übertreibung ebenfalls auf das Konto „EM-Strapazen“ zu buchen ist. Ein weniger ausgelaugter Akteur wäre der unglücklichen Szene in der 22. Minute, als Knudsen und ein Nettelstedter gemeinsam zu Fall kamen, wohl ohne Muskelfaserriss entkommen. Jetzt fällt der dänische Kreisläufer, der nach seiner Zwangspause wegen eines Schädel-Hirn-Traumas zu überragender Form aufgelaufen war, erneut für sechs bis sieben Wochen aus.
„Es tritt genau ein, was wir befürchtet hatten. Die EM hat uns enorm Substanz gekostet, wir baden das jetzt aus. Knudsens Verletzung ist eine Katastrophe, es tut mir unglaublich leid für ihn“, sagte SG-Manager Thorsten Storm.
Auch Lübbeckes Trainer Jens Pfänder fand nach einer Partie auf schwachem technischen Niveau kritische Worte: „6000 Zuschauer hätten ein besseres Spiel verdient. Aber das war nach der EM nicht möglich.  Man muss an anderer Stelle darüber nachdenken, ob das so weitergehen soll.“ Gleichwohl hatte Pfänder gehofft, Kapital aus der EM-Rekordbeteiligung der SG, die zehn Spieler abstellte, schlagen zu können. Die Nettelstedter führten zeitweise mit drei Toren, blieben bis zum 25:25 (47.) dran, doch dann schwanden auch dem Außenseiter, dem drei Leistungsträger (Fölser, van Olphen, Friedrich) fehlten, die Kräfte. Der Schlussoffensive der Gastgeber hatte der TuS nichts mehr entgegenzusetzen.

Blazenko Lackovic war bester SG-Schütze.

Die SG musste auf die Spielmacher Glenn Solberg (Magen-Darm-Grippe) und Christian Berge (Muskelverhärtung im Oberschenkel) verzichten — die schmerzlich vermissten  Führungsspieler werden erst am kommenden Sonntag in Minden wieder dabei sein. Joachim Boldsen quälte sich über die Runden, nachdem ihn zuvor das Rumoren im Bauch ebenfalls drei Tage flach gelegt hatte. Der Däne hatte kein Verständnis für Pfiffe von den Rängen: „Man soll sich bei der EHF beschweren, nicht bei uns. Wir haben getan, was wir konnten. Es war erstaunlich, woher wir zum Schluss noch die Luft hatten, dieses Spiel zu gewinnen.“
Immerhin wurde deutlich, dass Moral und mannschaftliche Geschlossenheit der SG nicht gelitten haben. „Es war klar, dass dies ein Kampf über 60 Minuten werden würde. Das haben meine Spieler hervorragend gemacht“, meinte Trainer Kent-Harry Andersson, der sich gleich nach der Partie zu Hause ins Bett legte. Auch er schleppt eine Grippe mit sich herum.

Spieler des Tages: Lauritzen

Mann des Tages: Jan Thomas Lauritzen

Richtig froh war nach dem Krampf gegen den TuS N-Lübbecke wohl nur ein Spieler der SG Flensburg-Handewitt. Fünf Tage nach seinem 32. Geburtstag feierte Jan-Thomas Lauritzen einen fast perfekten Einstand ausgerechnet gegen seinen Ex-Club. Vier Tore aus fünf Würfen, einen Siebenmeter geholt, stark in der Abwehr — in knapp 23 Minuten Einsatzzeit etablierte sich der norwegische Linkshänder schon als feste Größe beim Vizemeister. Seine beiden Treffer zum 29:26 und 30:26 bedeuteten eine Vorentscheidung zugunsten der SG.
„So etwas schmeckt natürlich immer“, meinte Lauritzen. „Vor allem, weil dies Spiel enger war, als ich gedacht habe. Für mich hat alles gut gepasst, ich bin hier super aufgenommen worden. Ich kenne noch keine Spielzüge, aber meine Mitspieler haben mir sehr geholfen und gesagt, was ich tun soll.“ Die EM-Strapazen habe er weggesteckt: „Norwegen hatte ja zwei Spiele weniger. Ich habe mich schon wieder ganz gut regeneriert.“
Man mag sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn Lauritzen noch auf der anderen Seite gestanden hätte. „Ich muss mich bei meinen Kollegen Jens Pfänder bedanken“, meinte SG-Trainer Kent-Harry Andersson mit Blick auf die kooperative Haltung der Lübbecker, die den Transfer im Dezember ermöglichte.

Die Analyse

Trainer Jens Pfänder gab nach dem Spiel preis, dass er sich mit dem TuS N-Lübbecke in der Campushalle durchaus etwas ausgerechnet hatte. „Wir wussten um die Belastung der SG Flensburg-Handewitt durch die EM, und dies wollten wir ausnutzen, indem wir mit einer aggressiven und offensiven 5:1-Deckung die starken Schützen unter Druck setzen.“ Dieses Konzept ging lange auf. Lijewski und Lackovic wurden festgenagelt und mussten mächtig ackern, um überhaupt in Wurfposition zu kommen. Das lag auch daran, dass es im SG-Angriff ohne den an Magen-Darm-Grippe erkrankten Regisseur Glenn Solberg an Plan und Tempo mangelte. Immerhin gelang es den Flensburgern, den Kreis ins Spiel zu bringen.
Völlig indisponiert wirkte in der ersten Halbzeit die SG-Abwehr, in der die Arme unten blieben und nicht zugepackt wurde. Bemerkenswert, dass es keinen Siebenmeter gegen den TuS N-Lübbecke gab. SG-Keeper Jan Holpert hielt zwar einige „unmögliche“ Bälle (Konter und Kreis), ließ sich aber  von Tönnesens Würfen aus dem Stand überraschen. Auch Dan Beutler, der mit lädiertem Knöchel und dicken Tapeverband spielte, kam über eine durchschnittliche Leistung nicht hinaus. Effektiver war auf der Gegenseite Nandor Fazekas mit 20 Paraden (darunter 2 Siebenmeter).