Stripes
Stripes
Archiv

Anderssons „Weckruf“ nach neun Minuten

Das war eine gelungene Generalprobe für das schwere Auswärtsspiel am Sonnabend (15 Uhr/N3 live) beim HSV Hamburg. Gegen Aufsteiger MT Melsungen feierte die SG Flensburg-Handewitt einen deutlichen 42:27-Erfolg und konnte es sich dabei sogar erlauben, einige Leistungsträger in der letzten Viertelstunde zu schonen.
Markus Pregler stand vor dem DSF-Mikrofon und rang nach Luft. „Wir sind schon jetzt total platt“, gestand der Kreisläufer von MT Melsungen zur Halbzeit. „Die Pause müssen wir nutzen, um uns einigermaßen zu erholen, damit wir hier nicht untergehen.“ Doch der Wunsch erfüllte sich nicht. 27:42 (11:20) hieß es aus Sicht des Bundesliga-Neulings nach 60 Minuten gegen eine SG Flensburg-Handewitt, die es sich in der letzten Viertelstunde sogar erlauben konnte, einige Leistungsträger für die bevorstehenden schweren Aufgaben in der Handball-Bundesliga zu schonen. Und der Flensburger Joachim Boldsen fragte sich: „Wie ist diese Mannschaft bis heute auf zehn Punkte gekommen?“

Goran Sprem und Blazenko Lackovic können auch gemeinsam eine Flügelzange bilden.

Wahrscheinlich mit der Aufstiegseuphorie und der unkonventionellen 4:2-Deckung, mit der die Hessen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel beeindrucken konnten. Gegen eine Spitzenmannschaft wie die SG Flensburg-Handewitt erwies sich dieses taktische Mittel jedoch als untauglich. Ganze neun Minuten und eine ernste Ansprache von SG-Trainer Kent-Harry Andersson während einer Auszeit dauerte es, dann war der Überraschungseffekt verpufft. Und Melsungens Trainer Dr. Ratislav Trtik, der bis vor kurzem auch tschechischer Nationalcoach war, überlegte laut, „ob wir unser offensives Deckungssystem die ganze Saison werden durchhalten können oder es ändern müssen.“
Wohl eher Letzteres. Denn seine Spieler waren danach gegen eine SG, die mit dem Gegner Katz und Maus spielte, in Abwehr und Angriff hoffnungslos überfordert. Aus einem 1:4 machten die Gastgeber in den nächsten neun Minuten eine 10:6-Führung. Und zur Halbzeit beim 20:11 war die Messe bereits gelesen.
Trainer Kent-Harry Andersson war mit der Vorstellung seiner Mannschaft insgesamt zufrieden. Nur die ersten neun Minuten hatten ihm überhaupt nicht gefallen. Und er kannte auch die Ursache für den schlappen Start. „Wir waren am Montag erst um 19 Uhr aus Paris zurück und hatten deshalb anfangs Probleme, den Hebel wieder umzulegen“, meinte der Schwede. Doch dann lief es beim Pokalsieger und Vizemeister wie geschmiert. Immer wieder zwang die bewegliche 6:0-Defensive der SG die Hessen zu Fehlern. Und wenn doch einmal ein Wurf aufs Tor kam, stand zumeist Dan Beutler im Weg. Mit 18 Paraden hatte der 27-jährige Schwede an diesem Abend großen Anteil am klaren SG-Erfolg. „Jetzt, im dritten Jahr bei der SG, nimmt er die Entwicklung, die wir uns von ihm erhoffen“, lobte Geschäftsführer Thorsten Storm den Schlussmann, der bereits vor einer Woche in Nordhorn einer der Erfolgsgaranten für den 36:31-Auswärtserfolg gewesen war. Der Gelobte gab die Komplimente jedoch artig an seine Vorderleute weiter. „Die Abwehr hat heute wirklich super gestanden. Da hat es ein Torwart leicht.“

Joachim Boldsen wunderte sich über die Leistung von Melsungen.

Eine starke Partie auf ungewohnter Position bot Goran Sprem. Der gelernte Linksaußen hatte Igor Kos nach 14 Minuten und drei Fehlwürfen auf Rechtsaußen abgelöst. Die Notlösung erwies sich als Volltreffer. Der Kroate war „heiß wie Frittenfett“, erzielte elf Treffer und leitete mit einem langen Pass durch den Kreis zu Blazenko Lackovic auch das schönste Tor des Tages ein. „Du musst eben da spielen, wo der Trainer dich hinstellt“, meinte Sprem trocken. Das Sechs-Augen-Gespräch in Paris mit Storm und Andersson, nachdem Sprem mehr Spielzeiten für sich eingefordert hatte, hat offenbar Wunder gewirkt.
Nur einer konnte sich  nicht richtig freuen: Sören Stryger. Der Kapitän, der in Nordhorn ein starkes Comeback feierte, hatte beim Warmlaufen erneut ein Zwicken in der linken Wade verspürt und war daraufhin auf Rat von Teamarzt Dr. Hauke Mommsen auf der Bank geblieben. „Eine reine Vorsichtsmaßnahme, damit er am Sonnabend in Hamburg auf jeden Fall wieder fit ist“, erklärte Mommsen. Stryger selbst wirkte allerdings niedergeschlagen. „Obwohl ich nicht gespielt habe, habe ich jetzt mehr Schmerzen als nach dem Warmmachen“, erzählte der Däne, der sich darüber wundert, dass so eine „Wadenverhärtung“ ihn nun schon fast sieben Wochen ärgert: „Langsam wird das ein bisschen anstrengend.“