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Torwartwechsel wirken manchmal Wunder

Der Akku war leer, aber die Moral intakt. Dank einer Energieleistung nach der Pause und einem bärenstarken Dan Beutler im Tor hat die SG Flensburg-Handewitt mit dem 28:24 (11:12) gegen den VfL Gummersbach die Tabellenführung in der Handball-Bundesliga verteidigt.
„Das gewinnen wir noch locker mit fünf Toren“, meinte Klaus-Jürgen Krüger. Darauf hätten nach der ersten Hälfte der Partie SG Flensburg-Handewitt — VfL Gummersbach wohl nur wenige unter den 6000 Zuschauern in der Campushalle gewettet. Der deutsche Handball-Meister hatte in den ersten 30 Minuten nämlich ziemlich müde gewirkt. Die Kräfte zehrenden Spiele in Wilhelmshaven, beim HSV Hamburg und THW Kiel hatten deutliche Spuren hinterlassen. Dennoch lag Krüger, der ehemalige Bundesliga-Handballer des Flensburger TB, mit seinem Tipp fast richtig. Nach 60 Minuten stand ein 28:24 für die SG auf der Anzeigetafel. Mit einer Energieleistung im zweiten Durchgang hatten die Gastgeber das Spiel gegen den Weltklasse-Rückraum der Gummersbacher noch herum gerissen.
Trainer Kent-Harry Andersson war heilfroh, beide Punkte an der Förde behalten zu haben. „Ich habe gezittert“, gab der 55-jährige Schwede zu. „Denn schon im Training vor dem Spiel habe ich gesehen, dass meine Spieler platt waren.“  Deshalb hatte es für ihn auch keinen Grund gegeben, in der Halbzeit laut zu werden, auch wenn ihm das Spiel seiner Mannschaft bis dahin überhaupt nicht gefallen hatte. „Aber sie hatten sich bemüht.“
Das Fleisch war zwar schwach, dafür aber der Siegeswille um so stärker. „Wir haben uns in der Halbzeit geschworen, dass wir bis zum Schlusspfiff alles geben wollen“, berichtete der SG-Trainer. Und er selbst steuerte mit einigen taktischen Korrekturen nach. Für Jan Holpert schickte er Dan Beutler zwischen die Pfosten. „Jan hatte keineswegs schlecht gehalten, aber Dan sollte es einmal für zehn Minuten probieren“, begründete Andersson den Wechsel, der zum entscheidenden Schachzug wurde. Der 27-jährige Schwede ließ in den folgenden 13 Minuten keinen Gegentreffer zu, die SG zog vorentscheidend auf 17:12 davon.

Andrej Klimovets spielte mit gebrochenem Finger.

„Gegen einen so starken Rückraum so lange ohne Gegentor zu bleiben, das ist einfach unglaublich“, freute sich Andersson. Auch für VfL-Coach Richard Ratka war der Torhüter-Wechsel die Wende in dieser Partie: „Das war urplötzlich ein ganz anderes Torwart-Spiel. Das hat uns verunsichert. Und die Enttäuschung aus dem Angriff haben wir mit in die Abwehr genommen.“
Doch das stimmte nur zum Teil. Denn auch der SG-Angriff steigerte sich im Vergleich zum ersten Durchgang. Plötzlich war Linie in den Aktionen, und auch das Tempo stimmte. Herausragend agierten dabei Christian Berge und Andrej Klimovets. Berge, der eigentlich nur 15 Minuten spielen sollte, fand so einen Gefallen an der Partie, dass er am liebsten gar nicht mehr vom Platz gegangen wäre. Vier Tore bei fünf Versuchen und einige gelungene Anspiele standen für ihn zu Buche. Davon profitierte vor allem Andrej Klimovets: Vier Würfe,  vier Tore — besser kann eine Bilanz nicht ausfallen. Und das mit einem  gebrochenen kleinen Finger an der linken Hand. Die Verletzung hatte sich der Weißrusse bereits im Pokal beim HSV Hamburg zugezogen, aber bis nach dem Landesderby verschwiegen. „Ich habe erst nach dem Kiel-Spiel davon erfahren“, gab Andersson zu. Ein Indiz dafür, dass für die SG-Spieler die Titelverteidigung mehr zählt als ein gebrochener Finger.