Stripes
Stripes
Archiv

SG am Ende "cool und clever"

Am Ende waren alle zufrieden. Die SG Flensburg-Handewitt und ihre rund 150 mitgereisten Fans freuten sich nach dem 27:23 (14:11) beim TuS N-Lübbecke über die beiden Punkte sowie die Verteidigung der Position im Spitzenfeld der Bundesliga, während das Gros der Heim-Zuschauer ihre Mannschaft mit stehenden Ovationen bedachte. Sie hatte sich als wackerer Aufsteiger teuer verkauft.
90 Minuten vor dem Anpfiff betrat Kent-Harry Andersson die Kreissporthalle Lübbecke. Der Trainer hatte das Hallenheft in der Hand und zog sich zum konzentrierten Lesen an den Kampfrichter-Tisch zurück, während seine Truppe den noch fast menschenleeren Spielort mit oberflächigen Blicken musterte. Es war die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Nach dem Abpfiff waren auch Kent-Harry Andersson die Strapazen der 60 Handball-Minuten anzusehen. "Das war ein sehr hartes Spiel für uns", atmete der Schwede erleichtert durch.

Kent-Harry Andersson sah guten Handball.

Bis in die Schlussphase hinein stand die Partie auf Messerschneide. In der 54. Minute hatte Lübbecke den 21:21-Ausgleich erzielt, der Favorit wackelte. Doch in dieser Situation untermauerte die SG ihren Stellenwert als Spitzenmannschaft. "Wir hatten die Nerven und die Geduld", attestierte Kent-Harry Andersson seinen Mannen eine gewisse Abgezocktheit, während Kollege Jens Pfänder staunte: "Ich habe selten eine Mannschaft gesehen, die so cool und clever spielt."
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Die SG hat den Kopf souverän aus der berühmten Schlinge gezogen. Mit einer äußerlichen Gelassenheit verwandelte Sören Styger zwei Siebenmeter, vollendete Johnny Jensen einen Konter mit einem Heber und ließ Marcin Lijewski eine "Rückraum-Peitsche" im Netz zappeln. Das 25:21 (58.) besiegelte den Sieg. "Es war wichtig, dass die Mannschaft ruhig geblieben ist und auf ihre Chance gewartet hat", zollte auch Manager Thorsten Storm seine Anerkennung, während sich die SG-Recken von den mitgereisten Schlachtenbummlern feiern ließen. Mittendrin Kapitän Sören Stryger: "Es ist gut für das Selbstvertrauen, dass wir uns heute zwei Punkte erkämpft haben."
Es war nicht die große Handball-Kunst, die die Kreissporthalle erlebte, aber doch eine äußerst interessante, schnell geführte Partie. Die Gastgeber hatten daran erheblichen Anteil, wie Kent-Harry Andersson bescheinigte: "Lübbecke spielt richtigen Handball - mit viel Tempo und schneller Mitte." Dass dennoch recht wenige Bälle den Weg in die Maschen fanden, lag an den 6:0-Abwehrreihen sowie an den Weltklasse-Torhütern Nandor Fazekas und Jan Holpert. Kein Wunder, dass Bundestrainer Heiner Brand nach der WM-Absage von Henning Fritz und dem Formtief von Christian Ramota mit einem DHB-Comeback des SG-Torwarts liebäugeln soll.

Joachim Boldsen: "Möglichkeiten waren da"

In Lübbecke war die SG-Defensive im Grunde nur in den ersten Minuten nicht auf der Höhe. Vor allem von den Halbpositionen ließ sich die Andersson-Truppe "abschießen". Die ersten sechs Treffer gingen allein auf die Kappe von Daniel Kubes und Jan-Thomas Lauritzen. Neuzugang Blazenko Lackovic, der in den ersten Minuten auf der Bank saß, war sichtlich beeindruckt: "Wir wussten, dass Lübbecke stark ist, hätten aber nicht gedacht, dass sie so stark sind."
Danach bekam der SG-Deckungsverband die Hausherren aber in den Griff, zumal der etatmäßige Kreisläufer Patrick Fölser verletzungsbedingt fehlte. Die SG egalisierte nicht nur den 0:3-Fehlstart, sondern legte ein scheinbar beruhigendes 14:9 (28.) vor. "Es spricht für unsere Abwehr, dass wir in der ersten Hälfte nur sechs Tore in 6:6-Situationen kassierten", analysierte Kent-Harry Andersson. Ein vermeintliches "Phantom-Tor" half den Hausherren wieder auf die Beine. Einen Wurf von Tobias Schröder hatte Jan Holpert wohl vor der Linie geklärt. Die Schiedsrichter gaben aber den Treffer und sorgten damit für reichlich Diskussionsstoff beim "Pausentee".
Lübbecke hatte neuen Mut geschöpft, während der Deutsche Meister äußerst fahrlässig mit seinen Chancen umging. Andrej Klimovets trat zweimal über, während die SG-Außen nicht nur von der Siebenmeter-Linie ungewohnte Defizite verrieten. "Man kann nicht sagen, dass wir schlecht gespielt haben", sagte Joachim Boldsen. "Die Möglichkeiten waren schließlich da." So musste der Favorit durch das Stahlbad, das er in der letzten Sequenzen der Partie mit Bravur meisterte.