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15.08.2010 -Abschied von einer SG-Legende: „Danke Lars“

„Danke Lars“ hieß es am heutigen Sonntag über 6000 Mal. Die SG Flensburg-Handewitt inszenierte für ihre „ewige Nummer 15“ eine denkwürdige Abschieds-Gala. 14 Spielzeiten, 626 SG-Einsätze und 3996/1623 Tore werden wohl für alle Ewigkeiten unerreichbar bleiben. „Der Verein ist mein Leben, ein Traum ist in den 14 Jahren in Erfüllung gegangen", sagte Lars Christiansen, der weiterhin in die Campushalle kommen wird. Er hat eine Dauerkarte bis zur Saison 2071/72 erhalten.
Die Nummer 15 bestimmte an diesem Nachmittag alles. Viele Zuschauer trugen Trikots mit den legendären Ziffern, ebenso die eingeladenen Spieler. Knapp 50 Spieler, darunter die komplette, aktuelle Mannschaft der SG, standen in U-Form auf dem Parkett, als die Handball-Legende Lars Christiansen das Parkett betrat. In Begleitung mehrerer Kinder, darunter sein Sohn Frederik. „Die Sitzplätze für das heutige Spiel waren in wenigen Tagen ausverkauft, die geladenen Stars kommen aus fünf Ländern – das sagt alles über die Bedeutung von Lars Christiansen“, leitete SG-Geschäftsführer Holger Kaiser die Lobeshymnen ein. Auf der Nordtribüne wanderte ein riesiges Transparent mit der hellblauen 15 über die Köpfe. Lars Christiansen klatschte bewegt, das „Echo“ prallte energisch zurück.

Manni Werner hielt eine bewegende Rede.

Dann nahm Manfred Werner, „väterlicher Freund“ und SG-Gesellschafter, das Mikrofon in die Hand. Ein schwerer Moment, das räumte das 74-jährige SG-Urgestein ein. Zunächst überbrachte er die Grüße des Bundestrainers, der wegen eines Verkehrsunfalls seiner Frau, kurzfristig absagen musste. „Ich habe selten einen solchen Menschen wie Lars Christiansen gesehen", ließ Heiner Brand ausrichten. „Lars Christiansen stand 14 Jahre lang für begeisternden Handball und eine menschliche Vorbild-Funktion“, fügte Manfred Werner seine eigenen Eindrücke an. „Er ist einer der torgefährlichsten und trickreichsten Linksaußen in der Welt, mit Talent allein wäre das nicht möglich gewesen", sprach der Funktionär dem scheidenden Spieler Grundtugenden wie Fleiß, Zielstrebigkeit, Einsatzwillen und vorbildliche Lebensführung zu. Und eine große Portion Fairness, die überall anerkannt war. „Ich habe oft erlebt, dass Lars Christiansen selbst bei Spielen in gegnerischen Hallen gefeiert wurde", sagte Manfred Werner.
Der sportliche Wettstreit ging über vier Mal eine Viertelstunde. Es ging nicht bierernst zu, sondern locker und spaßig. In der ersten Partie trat die SG mit ihren Neuzugängen Támas Mocsai, Sören Rasmussen und Viktor Szilagyi an, und zwar gegen das Team „Dänemark" mit Ian Marko Fog, Jesper Jensen oder Jan Paulsen, dem Cousin von Lars Christiansen. Das Spiel endete wie alle andere Begegnungen des Tages offiziell mit einem Remis – auch wenn dafür ein paar Treffer doppelt gezählt werden mussten und die Partie fünf Sekunden früher abgepfiffen wurde. Bemerkenswert: An der Seitenlinie standen mit Anders Dahl-Nielsen, Erik Veje Rasmussen, Kent-Harry Andersson und Per Carlén die vier Trainer, die Lars Christiansen in den 14 Jahren gecoacht hatten.

Dieses Duell gab es seit 1995 nicht mehr:
Lars Christiansen gegen Jan Holpert.

Die scheidende Handball-Legende war natürlich der Haupt-Torschütze des Tages. Nach wenigen Minuten hatte sie bereits ihren vierten Treffer erzielt und machte damit die 4000 voll – zumindest in der inoffiziellen Statistik. „Bin ich froh, dass ich kein Torwart bin", schmunzelte Magnus Wislander. „Da sieht man richtig schlecht aus." Der schwedische Veteran spielte in einer Weltauswahl, der auch Stefan Lövgren, Andrej Klimovets und Peter Gentzel angehörten. Den größten Applaus erhielt jedoch die SG-Legenden-Truppe mit Jan Holpert, Christian Berge, Johnny Jensen, Sören Stryger, Matthias Hahn und Jan Fegter. Auch Holger Schneider, Vorgänger auf der Linksaußen-Position, gehörte zu diesem illustren Kreis. „Nach zwei gemeinsamen Jahren habe ich gemerkt, dass ich gehen kann" sagte dieser. „Lars ist ein hervorragender Sportler." Und Lars Krogh Jeppesen spielt zukünftig in Kolding wieder mit Lars Christiansen in einer Mannschaft: „Ich hatte ihn vermisst."
Kempa-Trick, No-Look-Pässe und Rückhand-Würfe gab es zu genüge. Jan Thomas Lauritzen begeisterte mit seiner beliebten Breakdance-Raupe. Und die Gebrüder Bernd und Reiner Methe waren genau die richtige Besetzung als Referees. Sie pfiffen überaus humorvoll, machten auch mal den Job als Hallenmoderator oder drückten Johnny Jensen die Pfeife in die Hand. Der „Handballgott" verteilte gerne gelbe Karten und löste ein kleines Chaos auf dem Spielfeld aus.
In der Halbzeit-Pause gab es ein Abschieds-Ständchen von Trompeter Marquardt Petersen, eine individuelle Bier-Kollektion von der Flensburger Brauerei und eine CD mit Live-Mitschnitten von der NDR 1 „Welle Nord". Dann waren die Fans an der Reihe. „Wir können uns nicht vorstellen, dass irgendjemand anderes irgendwann mit der Nummer 15 auflaufen wird als Lars", sagte Marina Petersen im Namen der „Wikinger". Und die „Hölle Nord" reimte: „Wir können es nicht fassen, jetzt packt Lars seine Sachen."
Die letzten Minuten hielt es niemanden mehr auf dem Sitzplatz. „Steht auf, wenn ihr Lars Christiansen seid", schrie RSH-Moderator Volker Mittmann. „Erhebt euch für einen großartigen Spieler und Menschen." Die vier letzten Treffer fingen allesamt auf die Kappe des Dänen. Zunächst traf er von der lebendigen „Siebenmeter-Linie" Oscar Carlén, dann trugen ihn Thomas Mogensen und Lasse Boesen zum Wurfkreis, als nächstes warf ihm Sohn Frederik den Ball zu, und schließlich verwandelte Lars Christiansen – wie so oft – eiskalt einen Gegenstoß.

Bewegende Momente. Fotos: N. Kirschner

Da war die Campushalle bereits abgedunkelt. Team-Manager Ljubomir Vranjes, der zusammen mit Christiansen-Kumpel Christian Henriksen, in den letzten Wochen die organisatorischen Fäden in der Hand hatte, legte Lars Christiansen einen SG-Schal um den Hals. Der schaute nun gebannt auf die Videotafel, wo sich die SG-Mannschaft von ihm verabschiedete. Mit entweder witzigen oder bewundernden Äußerungen. „Im Bus ist es nun viel ruhiger", sagte Jacob Heinl. „Die Chancen für die jungen Mannschaft, im Fußball zu gewinnen, steigen", meinte Thomas Mogensen. Und SG-Coach Per Carlén bilanzierte: „Lars Christiansen ist für jeden Handballer ein Vorbilder."
Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem sich der 38-Jährige bei seinen Eltern, Freuden, der SG, den Fans, der Stadt, allen Helfern und allen anderen bedanken wollte. Doch zunächst übermannten ihn die Tränen. „Die SG ist mein Leben", sagte er. „Ich sage immer noch meine Mannschaft, wenn ich von der SG spreche. Erst gestern, beim Testspiel in Haderslev, rannte ich in die Flensburger Kabine." Die letzten Worte richtete er an die SG-Anhänger: „Ihr seid die besten Fans der Welt!" Dann drehte Lars Christiansen eine Ehrenrunde und verschwand schließlich durch einen Spalier in die Katakomben. Er wird wiederkommen – als Teil der SG-Geschichte und als treuer Dauerkarten-Besitzer.

Abschied von der Mannschaft.


Mehr Bilder (N. Kirschner)


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Von: ki