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02.07.2006 -Siebenmeter: Das „Spiel im Spiel“

Es ist keine Minute absolviert, als es in der denkwürdigen Bundesliga-Partie zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem HSV Hamburg erstmals zu dem Ereignis kommt, das Lars Christiansen als „Spiel im Spiel“ bezeichnet – Siebenmeter! Der Linksaußen tritt an die ominöse Linie. Was geht in ihm in diesem Moment vor? „Ich denke nur daran, ein Tor zu machen“, heißt seine schlichte Erfolgsformel. Vor dem Wurf geht es um Psychologie. Lars Christiansen: „Man darf nicht zu viel denken, muss aber beobachten, was der Torwart macht.“
Das ist an diesem Abend sicherlich nicht einfach, steht im HSV-Gehäuse doch der „alte Fuchs“ Goran Stojanovic. Im Kopf des Torhüters sieht es anders aus. Er spekuliert, wie SG-Keeper Jan Holpert weiß: „Man filtert als Torhüter:“ Und wenn man sehr gut filtert, kann der Schlussmann zum „Held des Tages“ werden. So wie Jan Holpert in Wetzlar, als er in der Schluss-Sekunde gegen Savas Karipidis den entscheidenden Strafwurf parierte. Der Grieche hatte zuvor schon einmal geworfen, hatte aber eine Minute vor der letzten Aktion mit einem Heber Erfolg. „Einen Leger macht er nicht noch einmal“, war Jan Holpert in dieser Situation klar. „Links hatte er schon einen verschossen. Also blieb nur ein Ball durch die Beine oder nach rechts. Und rechts war es“, sagte der SG-Torhüter, der auch für die Option Beinschuss gewappnet war: „Da hätte ich den anderen Fuß nachgezogen.“
Bei sechs Versuchen hat HSV-Schlussmann Goran Stojanovic vier Mal keine Chance, zwei Mal trifft Lars Christiansen allerdings nur den Pfosten. „Man ist entweder der Held oder der Depp“, sagt der Däne, um zu ergänzen; „Wenn man verwirft, ist es kein Problem für mich erneut zu werfen.“ Doch Kent-Harry Andersson setzt in diesem Fall normalerweise auf eine andere Karte – auf Sören Stryger. „Man muss Lars Christiansen nicht noch einmal antreten lassen, wir haben mit Sören Stryger schließlich einen weiteren sehr sicheren Schützen.“
Aber was ist, wenn beide ausnahmsweise mal einen schlechten Tag erwischt haben? Ein solches Ereignis sorgt zwar für manches Raunen unter den Zuschauern und auf der SG-Bank, aber nicht für Panik. Schon vor der Saison hatte Kent-Harry Andersson eine Abfolge festgelegt, die zuletzt in Melsungen in Kraft treten musste. Beide Sieben-Meter-Schützen hatten zwei Mal von der Linie gepatzt. Mit Blazenko Lackovic und Goran Sprem kamen die nächsten Kandidaten zum Zuge. Und mit Joachim Boldsen hätte die SG noch einen weiteren „Trumpf“ im Ärmel gehabt.

Jan Holpert „spekuliert“ gerne beim Strafwurf.


Bei anderen Klubs sieht es anders aus. Etwa beim THW Kiel. Dort hat Noka Serdarusic mit Nikola Karabatic, Vid Kavticnik, Stefan Lövgren, Frode Hagen und Kim Andersson eine gute Auswahl zur Hand. Doch wer anfängt, steht beim Anpfiff noch in den Sternen. „Die Reihenfolge der Schützen kristallisiert sich erst aus dem Spielverlauf heraus.“, erklärt Noka Serdarusic. „Wenn es bei den ausgewählten Schützen entsprechend gut läuft, sollen sie auch zur Siebenmeter-Linie schreiten.“ Und was passiert nach einem Fehlversuch? Der THW-Coach: „Dann kann der Akteur ruhig einen weiteren Siebenmeter werfen, wenn er sich entsprechend fühlt und die mentale Stärke besitzt. Aber auch das entwickelt sich erst im Spiel entsprechend.“
Nicht alle Vereine der Bundesliga haben vor dem „Spiel im Spiel“ so viele Möglichkeiten. Beim TV Großwallstadt etwa gibt es mit Dominik Klein, Heiko Grimm, Daniel Brack, Wael Horri, Alexander Pettersson, Adrian Kunz oder Jens Tiedtke einen großen Kandidaten-Kreis, aber „niemanden, der konstant die Siebenmeter reinhaut.“ Trainer Michael Roth ist deshalb „sehr flexibel“, wechselt oft und lässt häufig Strafwürfe trainieren. Nicht immer mit Erfolg. „Gerade am Anfang der Saison haben uns verworfene Siebenmeter einige Punkte gekostet“, analysiert der TVG-Coach und verrät: „So einen Schützen wie Lars Christiansen wünscht sich jeder Trainer.“

Von: ki