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Das Wunder von Köln

31.05.2014 -VELUX EHF FINAL 4: 41:39 – SG wirft sich ins Endspiel

Die SG Flensburg-Handewitt hat das schier Unmögliche möglich gemacht. Nach Verlängerung und Siebenmeterwerfen schlug sie den FC Barcelona mit 41:39 (18:17, 32:32, 36:36) und erreichte damit zum dritten Mal nach 2004 und 2007 das Endspiel in der VELUX EHF Champions League. Gegner am morgigen Sonntag ist um 18 Uhr der THW Kiel. „Ich bin verdammt stolz auf meine Mannschaft“, rang SG-Trainer Ljubomir Vranjes mit den Worten. „Wir wussten, dass es sehr schwierig werden würde. Das Ende war der absolute Wahnsinn!“

„Einmal Flensburg, immer Flensburg“, erklang es 20 Minuten vor dem Anpfiff. Die SG-Fans meldeten sich startklar für das VELUX EHF FINAL 4 – und ihr Team tat es ihnen kurz darauf nach. Die SG begann mit der gleiche Aufstellung wie vor Wochenfrist in Eisenach, doch die Einstellung, die Körpersprache, war eine ganz andere. Die Partie gegen den großen FC Barcelona entwickelte sich zum Spektakel, zu einem Match auf Augenhöhe. Wichtig, dass Mattias Andersson gleich zeigte, dass auf ihn Verlass war. Der Keeper parierte schon in der Anfangsphase zwei Siebenmeter gegen Siarhei Rutenka und kurz darauf gegen Kiril Lazarov. Mit einem hübschen Hammer markierte Holger Glandorf das 3:4, die erste SG-Führung. Danach leistete sich der Bundesligist zwar einen kleinen Durchhänger, kassierte drei Treffer in Folge, doch nach einer Auszeit war wieder alles im Lot. Nun mischte Drasko Nenadic mit. Kurz darauf betraten auch Steffen Weinhold und Jacob Heinl das Parkett. Anders Eggert konterte zum 7:7. Die SG war wieder voll im Film – und die Lanxess-Arena staunte das eine oder andere Mal wegen der tollen Handball-Demonstration.

Beim 11:12 setzte sich die SG wieder in Front, Steffen Weinhold hatte sich klasse durchgesetzt. Der vermeintliche Außenseiter mischte weiter munter mit – und hatte beim 13:14 sogar zwei Mal die Möglichkeit, sich auf zwei Treffer abzusetzen. Doch Anders Eggert scheiterte von Linksaußen an Danijel Saric, nur wenige Sekunden später vereitelte der Barca-Keeper auch einen Gegenstoß von Lasse Svan. Das bestrafte der Favorit eiskalt und legte wieder ein 16:14 vor. Zudem agierte die SG nun in Unterzahl und kompensierte diesen Nachteil mit dem fliegenden Torwart Jacob Heinl. Glück – oder Kalkül? –, dass Barca nach einem Ballverlust der Nordlichter das verwaiste Gehäuse verfehlte. Dann kam die Show der SG-Außen: Lasse Svan mit einem Heber und Anders Eggert auch. Urplötzlich lag die SG wieder vorn. Und als Steffen Weinhold toll durch die massive Barce-Defensive tanzte, ging der vermeintliche Außenseiter sogar als Halbzeit-Sieger in die Kabine.

In Hochstimmung freuten sich die Schlachtenbummler auf den zweiten Durchgang. Und der Pausen-Nachschlag war äußerst bekömmlich. Mattias Andersson parierte gleich zwei Mal gegen Kiril Lazarov, während auf der Gegenseite Holger Glandorf auf 18:21 erhöhte. So ging es leider nicht weiter. Die SG durchschritt ein spielerisches Tief, schloss überhastet ab. Dagegen spulte Barcelona seine Routine ab und zog vorbei – bis auf 26:22. „In der Halbzeit haben wir uns ein paar taktische Dinge vorgenommen, die leider nicht so gut geklappt hatten“, stellte Ljubomir Vranjes fest. „Zudem hat uns Danijel Saric das Leben verdammt schwer gemacht.“ Auf der Bank herrschte Bewegung. Sören Rasmussen ging ins Tor, die Flügel besetzten nun Hampus Wanne und Bogdan Radivojevic. Nur: An der Dominanz des Favoriten änderte sich nichts. Beim 32:26 acht Minuten vor Schluss sprach nichts mehr für die Nordlichter. „Meines Erachtens haben wir zu viele technische Fehler gemacht, wodurch wir den Anschluss verloren haben“, meinte Steffen Weinhold.

Ein Dank an die Fans.

Es half nur noch eine Alles-oder-nichts-Taktik. Ljubomir Vranjes ließ immer offensiver decken – und hatte damit Erfolg. Barcelona verlor den Kopf. Auch ein Team-Time-Out brachte den spanischen Meister nicht mehr zurück in die Souveränität. Die SG holte zum sensationellen Gegenschlag aus und glaubte an das „Wunder von Köln“. Bogdan Radivojevic konterte zum 32:30, Holger Glandorf donnerte den Ball zum 32:31 in die Maschen. Die Sekunden rannen davon, Barcelona bewegte sich am Rande des Zeitspiels. Dann hatte die SG endlich den Ball. Holger Glandorf flutschte durch und schoss ihn eine Sekunde vor Ultimo in die Maschen. 32:32 – Verlängerung! Die SG, die Fans – ja, die gesamte Lanxess-Arena jubelte frenetisch. „Ein Kompliment an Sören Rasmussen und an die Youngster, die ich ins kalte Wasser geworfen habe“, sagte Ljubomir Vranjes. „Und ein Dank an die Zuschauer, die uns nach vorne gepeitscht haben.“

Die Verlängerung ist erreicht. Fotos: Ki

Abkühlen – es begann die Extraschicht. Barcelona meldete sich mit Raul Entrerrios zurück. 34:32 – und auch nach 65 Minuten hatten die Katalanen mit zwei Toren die Nase vorn. Dann packte die SG ihren letzten Akku aus. Michael Knudsen und Thomas Mogensen schafften den Gleichstand. Es war eine Nervenschlacht. Viktor Tomas hatte sie auf Rechtsaußen, aber auch Anders Eggert von der Siebenmeter-Linie. Barcelona hatte den letzten Angriff. Nikola Karabatic warf, Sören Rasmussen hielt. Auch nach 70 Minuten war keine Entscheidung gefallen.

Die Dramatik wurde auf die Spitze getrieben: Siebenmeterwerfen – und das im Halbfinale der VELUX EHF Champions League. Die SG durfte anfangen – und nutzte den psychologischen Vorteil. Anders Eggert und Steffen Weinhold trafen, während Nikola Karabatic als zweiter Barca-Schütze scheiterte. Dann verwandelten alle Schützen. Jim Gottfridsson, Viktor Tomás, Bogdan Radivojevic und auch Juanin Garcia. Das hieß: Hampus Wanne hatte es in der Hand. Der junge Schwede hielt dem Druck stand, machte alles klar – und wurde von seinen jubelnden Mannschaftskollegen auf Händen getragen. Die SG hatte das Endspiel erreicht. „Eine Verein, ja eine ganze Region ist stolz auf diese Mannschaft“, strahlte SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke. „Wir haben eine unglaubliche kämpferische Leistung gesehen.“

Hampus Wanne verwandelte den letzten Siebenmeter.

 

FC Barcelona – SG Flensburg-Handewitt 39:41 (17:18, 32:32 36:36) n. S.
FC Barcelona: Sterbik (bei zwei 7m), Saric (24 Paraden) - Noddesbo (5), Garcia (5/1), Tomas (6/1), Entrerrios (5), Sorhaindo (2), Sarmiento, Gurbindo, Rutenka (4/2), Stranovsky, Morros (1), Karabatic (5), Saubich, Lazarov (6)
SG Flensburg-Handewitt: Andersson (15/3 Paraden), Rasmussen (7 Paraden, 46.-70.) – Karlsson, Nenadic (2), Eggert (6/2), Glandorf (8), Mogensen (6), Svan (2), Wanne (4/1), Weinhold (8/1), Heinl, Gottfridsson (2/1), Radivojevic (2/1), Knudsen (1)
Schiedsrichter: Horacek/Novotny (Tschechien); Zeitstrafen: 2:8 Minuten (Karabatic 2 – Glandorf 2, Heinl 2, Gottfridsson 2, Knudsen 2); Siebenmeter: 8/4:6/6 (Andersson hält zwei Mal gegen Lazarov, einmal gegen Rutenka, Garcia über das Tor); Zuschauer: 20000
Spielverlauf: 1:0 (1.), 2:2 (5.), 3:4 (9.), 6:4 (12.), 7:5 (13.), 7:7 (14.), 9:8 (16.), 10:10 (16.), 11:12 (20.), 13:12 (22.), 13:14 (23.), 16:14 (27.), 16:17 (29.) – 18:18 (31.), 18:21 (34.), 20:22 (35.), 26:22 (41.), 27:24 (44.), 29:24 (47.), 31:25 (51.), 32:26 (52.), 32:30 (57.), 32:32 (60.) – 34:32 (62.), 35:33 (65.), 35:35 (68.), 36:35 (68.), 36:36 (69.) 

 

Von: ki

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