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Außenseiter verlangt der SG alles ab

Die SG Flensburg-Handewitt ist der "Hansehölle" heil entronnen und hat als letzter Teilnehmer ihr Ticket für das Final Four um den deutschen Handball-Pokal gebucht. In einem hitzigen Gefecht vor 2650 begeisterten Zuschauer besiegte der dreimalige Pokalsieger den Zweitligisten VfL Bad Schwartau mit 34:27 (17:11). Die sieben Tore Differenz täuschen darüber hinweg, dass es in der Schlussphase eines packenden Spiels hoch herging und eine faustdicke Überraschung zumindest vom Horizont kurz grüßte.
"Ich freue mich riesig. Das Final Four ist ein Highlight. Alles, was ich darüber gehört habe, klingt sensationell", jubelte ein ausgepumpter SG-Kreisläufer Jacob Heinl, der wie die meisten seiner Kameraden zum ersten Mal als Spieler zum deutschen "Handball-Wembley" am 7./8. Mai fahren wird und dort auf ein Halbfinale "gegen Göppingen oder die  Rhein-Neckar Löwen" hofft. Auch SG-Keeper Dan Beutler möchte Kiel zunächst aus dem Weg gehen: "Gegen die haben wir oft genug gespielt." Bei den tapferen Verlierern hielt sich der Frust in Grenzen. "Klar sind wir jetzt enttäuscht. Ich hatte schon das Gefühl, dass wir es schaffen können. Aber wenn wir in zwei, drei Tagen zurückblicken, werden wir sauzufrieden sein", sagte VfL-Kapitän Matthias Hinrichsen, der einst als Dauerkartenbesitzer in Flensburg der SG zujubelte, bevor er über die HSG-Tarp-Wanderup den Weg nach Lübeck fand.
Der Außenseiter verkaufte sich teuer und fand in der zweiten Halbzeit aus acht Toren Rückstand (11:19, 12:20, 13:21) nach 35 Minuten zurück ins Spiel. Bis auf 25:27 (54.) kämpften sich die Gastgeber in der brodelnden Hansehalle heran. "Ich hatte gehofft, dass wir es den Flensburgern so schwer machen können. Die Abwehr hat sich gut bewegt, die Torhüter sind ins Spiel gekommen. Das war eine tolle Mannschaftsleistung", lobte VfL-Trainer Thomas Knorr.
Für die SG zahlte es sich am Ende aus, dass sie hochkonzentriert und ohne jegliche Spur von Überheblichkeit ins Spiel gestartet war und in der entscheidenden Phase von ihrem Vorsprung zehren konnte. Eine Halbzeit lang ließ sie dem Zweitligisten keine Chance. Dan Beutler lieferte eine brillante Torwartpartie, vorn war der Halblinke Lasse Boesen die überragende Figur. Schwartau hingegen agierte nach Einschätzung von Knorr "ein bisschen ängstlich". Davon ausgenommen VfL-Torjäger Jan Schult, der entschlossen seine Chancen suchte und von der SG kaum zu stoppen war.
Gegen Mitte der zweiten Hälfte machte sich die Flensburger Personalnot bemerkbar. Drei Langzeitverletzte, ein Tamas Mocsai, der wegen einer Schulterverletzung nicht werfen kann, ein Viktor Szilagyi mit Formrückstand und Tobias Karlsson sowie Anders Eggert Grippe geschwächt. Am Freitag hatte SG-Coach Ljubomir Vranjes das Training abgebrochen: "Ich hatte keine Spieler mehr. Da war ich etwas nervös. Man hat ja heute gesehen, das Schwartau auf Bundesliga-Niveau spielen kann." Das wurde auch darin deutlich, dass der VfL die Schwäche des Favoriten erkannte und technische Fehler sowie eine Serie von Fehlwürfen von Svan Hansen erbarmungslos ausnutzte, wobei Rechtsaußen Peter Kasza als Vollstrecker von Gegenstößen auffiel.
Umso erleichterter war Vranjes, das alles gut gegangen war. "Einige Spieler waren am Ende. Loben muss ich besonders Mocsai, der mit dieser Schulter seit einem Monat durchhält. Aber ich bin mit allen super zufrieden." Selbst Dan Beutler fiel zum Schluss in ein Tief. "Ich war total müde. Zum Glück kann man sich auf Sören verlassen." Rasmussen hielt zwei wichtige Bälle und war neben Patrik Fahlgren ein Retter in der Not.
Der SG winkt nach vier Jahren Abstinenz mit der siebten Final-Four-Teilnahme ein Scheck über 120000 Euro, was auch illustriert, wie wichtig die Partie für den Verein war. "Wir hatten einen Riesendruck und alles zu verlieren. Jetzt haben wir eine unglaublich gute Zeit, weil wir mehr als Mannschaft zusammenspielen als vor den ganzen Verletzungen", sagte Dan Beutler.