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Champions League: 25:23 – was für ein Ausrufezeichen!

Was für ein Spiel! Was für ein Sieg! Mit einem kaum für möglich gehaltenen 25:23 (11:10)-Erfolg über den Top-Favoriten BM Ciudad Real setzte die SG Flensburg-Handewitt ein großes Ausrufezeichen im Kampf um den zweiten Platz in der Gruppe D der Champions League. Da die beiden Kontrahenten aus Ciudad Real und Zagreb noch gegeneinander spielen, hat die SG es selbst in der Hand, mit zwei Siegen mindestens auf den zweiten Platz vorzustoßen. „Heute könnte ich meine Spieler küssen", strahlte SG-Trainer Ljubomir Vranjes. „Alle zusammen haben sie eine unglaubliche Leistung geboten."
Schon die Ouvertüre war königlich. Die Nordtribüne tauchte vor dem Anpfiff in ein blau-weiß-rotes Farbenmeer, während die Hymne der Champions League erklang. Noch schöner war aber der Start der SG. Nach einer ersten Bilderbuch-Kombination wuselte sich Patrik Fahlgren am Kreis durch und lochte nach nur 34 Sekunden zum 1:0 ein. Hinten brillierte Dan Beutler gleich mit einem Klasse-Reflex gegen Rechtsaußen Luc Abalo. Anders Eggert antwortete mit einem Gegenstoß. Und weil es so schön war, ließ der dänische Linksaußen einen zweiten folgen. 3:0 nach nicht einmal drei Minuten!

Patrik Fahlgren erzielte das 1:0. Fotos: N. Kirschner

Ciudad Real agierte erstaunlich unsicher, biss sich an der 6:0-Deckung der SG die Zähne aus. Dahinter thronte ein überragender Dan Beutler. „Er hat den Unterschied gemacht", lobte Ljubomir Vranjes. „Gerade in 1:1-Situationen hat er unglaublich gute Akzente gesetzt", meinte Talant Duishebaev, Trainer von Ciudad Real. „Wir sind eine Mannschaft, ich habe das Spiel nicht allein gewonnen", waren Dan Beutler die Lobesarien fast ein wenig peinlich. „Wenn man eine unheimlich starke Abwehr vor sich hat, ist es für einen Torwart leicht. Außerdem war ich heute stolz, vor diesem Publikum spielen zu dürfen."
Auf der anderen Seite war die 5:1-Defensive der Spanier zunächst kein Hindernis für eine spritzige SG. Lasse Boesen erhöhte auf 4:0. Und nach 7:07 Minuten verwandelte der Spieler mit der Nummer sieben, Anders Eggert, einen Siebenmeter zum 5:0. Eine gute Minute später sprintete Lasse Svan Hansen gen spanisches Gehäuse. 6:0! Unglaublich! Talant Duishebaev nahm seine Auszeit. „Dieser Fehlstart hat Kraft gekostet, diesem Rückstand sind wir praktisch immer hinterhergelaufen."
Am Kreis wirkte für die Spanier nun Julen Aguinagalde. Das erste Tor für Ciudad Real markierte allerdings Sprungwunder Luc Abalo. Nach exakt 9:38 Minuten! Der dreimalige Königsklassen-Triumphator blieb bei seiner taktischen Grundausrichtung, rotierte aber unermüdlich in seiner Aufstellung. Dagegen wechselte die SG aufgrund der angespannten Personalsituation nur einmal zwischen Angriff und Abwehr. Patrik Fahlgren und Tobias Karlsson lösten sich in der Anfangsphase stets ab. Würden die Kraftreserven auf Dauer reichen? Wie befürchtet stand diesmal auch Viktor Szilagyi (Knie) nicht zur Verfügung. „Alle haben nur über unsere verletzten Spieler gesprochen, ich habe dennoch alles für einen Sieg getan", berichtete Ljubomir Vranjes. „Wir müssen immer an uns glauben und alles geben." Er selbst verblüffte in der Vorbereitung mit großer Akribie. Am Samstag dauerte die Analyse des Gegners tatsächlich drei Stunden.

Lasse Boesen sorgte für Gefahr aus dem Rückraum.

Dennoch kam der iberische Top-Klub etwas besser in die Partie. Viran Morros traf von Linksaußen, Julen Aguinagalde setzte sich am Kreis kraftvoll durch. Es hieß nur noch 8:5. Ljubomir Vranjes brachte nun Petar Djordjic für Lasse Boesen, Tobias Karlsson tauchte jetzt auch am gegnerischen Kreis auf. Der Schwung der Anfangsphase war aber dahin. Als David Davis auf 9:7 verkürzte, beantragte Ljubomir Vranjes das Team-Time-Out. Danach markierte Tamás Mocsai zwar das 10:7, kurz darauf folgte aber der nächste Rückschlag: Tobias Karlsson kassierte bereits seine zweite Zeitstrafe. Zum Glück war auf Dan Beutler einmal mehr Verlass. Der SG-Keeper parierte einen Strafwurf von Joan Canellas. Dennoch musste die SG kurz vor der Halbzeit erstmals den Ausgleich einstecken. Mit einem beherzten Wurf rettete Lasse Boesen die Pausenführung.
Der Pausentee war offensichtlich sehr bekömmlich. Die SG erwischte wieder einen Start nach Maß. Lasse Svan Hansen lief einen Gegenstoß, Lasse Boesen traf aus dem Rückraum. 13:10 – die SG hatte wieder ein kleines Polster. Im Gegensatz zum ersten Durchgang war Ciudad Real diesmal nicht geschockt und nutzte zwei Fehler der SG gnadenlos aus. Mit einem Doppelschlag glich Luc Abalo zum 14:14 aus. Doch die Moral der SG war an diesem Abend überragend. Gerade als es so aussah, dass das Spiel kippen könnte, gaben die Gastgeber eine sensationelle Antwort. In der Abwehr kämpften sie aufopferungsvoll, und Dan Beutler war ein starker Rückhalt. Die SG zog wieder davon und baute in ihre Angriffe sehenswerte Elemente ein. Dem 19:15 durch Lasse Svan Hansen ging ein Rückhand-Pass von Tamás Mocsai auf Jacob Heinl voraus.

Lasse Svan Hansen war fünf Mal zur Stelle.

Die SG spielte sich phasenweise in einen Rausch. Dan Beutler vereitelte einen Strafwurf von Roberto Parrondo. Im Gegenzug lochte Jacob Heinl zum 21:15 ein. Sensationell! Wer hätte das gedacht? Die SG war mit einem der besten Teams der Welt mehr als nur auf Augenhöhe und musste aufpassen, dass sie nicht überdreht. Das Selbstvertrauen war unglaublich. Lasse Svan Hansen stieß zur Mitte vor und passte durch den Kreis auf Anders Eggert, der zum 23:18 traf. Die Zeit lief für die SG, der Sieg nahm immer klarere Konturen an. Die „Hölle Nord" war vor Begeisterung fast am überkochen. „Das war hier wirklich eine tolle Atmosphäre", sagte Talant Duishebaev.

Die Stimmung pulsierte vor Begeisterung.

Doch es musste noch einmal gezittert werden. Joan Canellas brachte Ciudad Real beim 24:23 wieder auf Tuchfühlung. Und als Tobias Karlsson am eingewechselten Javier Hombrados scheiterte, drohte gar der Ausgleich. Aber da war er wieder: Dan Beutler kaufte Viran Morros den Schneid ab. Niemanden hielt es mehr auf den Sitzen. Und als Lasse Svan Hansen 26 Sekunden vor Schluss zum entscheidenden Treffer durchgebrochen war, begann die Siegesparty. „Von den insgesamt 60 waren 20 Minuten von Müdigkeit geprägt", fasste Ljubomir Vranjes zusammen. „Wegen dem riesigen Willen hat es trotzdem gereicht."

Riesenfreude nach dem Schlusspfiff.

SG Flensburg-Handewitt – BM Renovalia Ciudad Real 25:23 (11:10)
SG Flensburg-Handewitt: Beutler (16/3 Paraden) – Karlsson, Eggert (9/4), Fahlgren (3), Svan Hansen (5), Djordjic, Mocsai (1), Heinl (2), Boesen (5)
BM Renovalia Ciudad Real: Sterbik (10 Paraden), Hombrados (3 Paraden; ab 42.) – Guardiola (2), Aguinagalde (4), Davis (1), Parrondo (4/2), Abalo (5), Rodriguez, Cañellas (3), Jurkiewicz, Entrerríos (1), Morros (3), Dinart, Shevelev
Schiedsrichter: Buy/ Pichon (Frankreich); Zeitstrafen: 6:2 Minuten (Karlsson 4, Heinl 2 – Davis 2); Siebenmeter: 4/4:5/2 (Canellas scheitert zwei Mal, Parrondo einmal an Beutler); Zuschauer: 6020
Spielverlauf: 6:0 (9.), 7:1 (14.), 8:2 (17.), 8:5 (20.), 9:7 (25.), 10:10 (30.) – 13:10 (33.), 14:14 (37.), 18:14 (41.), 21:15 (44.), 21:17 (46.), 23:18 (49.), 23:22 (55.), 24:22 (57.), 24:23 (58.)


Weitere Berichte
21.2.2011 – Überraschungscoup gegen Ciudad Real (sh:z; Jan Wrege)
20.2.2011 – Hasta la vista Ciudad (Benjamin Nolte; www.erlebe-flensburg.de)
18.2.2011 – Kür gegen Handballer von der La Mancha (Homepage, Vorschau)