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SG reibt sich an der Berliner Mauer auf

Per Carlén blieb am Ende aller Erklärungsversuche nur ein Schulterzucken: „Wir haben alles versucht, es hat nicht gereicht. Berlin ist eine wirklich gute Mannschaft.“ Der Trainer der SG Flensburg-Handewitt war bei der 25:26 (15:14)-Niederlage  gegen den Tabellenführer der Handball-Bundesliga alles andere als untätig geblieben. Im Fünf-Minuten-Takt, manchmal schneller, änderte er seine Angriffsformation. Doch sobald   Hoffnung glimmte, dass nun Besserung einträte, war sie auch schon vorüber. Den Flensburgern gelang es nicht, die Abwehr der Füchse Berlin nachhaltig zu knacken.
So weit, so trübe. Die Stimmung der Gastgeber wurde auch nicht dadurch aufgehellt, dass sie zusammen mit Berlin beste Handballunterhaltung geboten hatten. Die Campushalle erlebte ein fesselndes Spiel. Technisch nicht immer auf höchsten Niveau, aber zu jeder Minute voller Emotionen, Kampf und Leidenschaft – der Konstellation Tabellenzweiter gegen Spitzenreiter angemessen. Die Flensburger werden diese Etage der Liga allerdings bald verlassen, wenn sie nicht zügig zur Konstanz der Vorsaison zurückfinden. Es ist nicht vermessen, zu spekulieren, dass die SG Flensburg-Handewitt vom Mai dieses Jahres die Berliner noch zuverlässig geschlagen hätte – wenn man die Figur Alexander Petersson mal ganz vom Brett nimmt.
Der Isländer, der wegen mangelnder Spielanteile hinter Oscar Carlén und wohl auch wegen eines lukrativeren Angebotes in die Hauptstadt wechselte, war der Mann des Abends. Petersson lenkte sein bisweilen überschäumendes Temperament in kluge Bahnen. Seine sieben Tore taten der SG besonders weh und ihm besonders gut: „Es war schön, in der Camnpushalle einmal über 60 Minuten zeigen zu können, was in mir steckt“, sagte der Linkshänder.
Auf der anderen Rückraumseite traf Sven-Sören Christophersen sechs Mal, zugegeben aus 13 Versuchen – aber immerhin. Und drei Tore kamen noch von Mittelmann Bartlomiej Jaszka. So viel Power aus der zweiten Reihe hätte sich Per Carlén im eigenen Team gewünscht. „Wir haben nicht die Wurfkraft. Nur zehn Tore aus dem Positionsangriff, nur vier oder fünf echte Rückraumtore – das ist zu wenig“, befand der Schwede.
In seiner Verzweiflung probierte er es auf der halblinken Position mit Lasse Boesen, Petar Djordjic, Thomas Mogensen und Viktor Szilagyi. „Es hat nicht funktioniert, deswegen konnte ich mit keinem so weiter machen“, erläuterte Carlen die häufigen Wechsel. „Boesen null, Szilagyi null, Djordjic eins“, bilanzierte der SG-Coach, dem damit im Spiel sechs gegen sechs nur die individuelle Wucht von Sohn Oscar und Mogensen sowie der bis auf einen Fehlversuch zuverlässige Kreisläufer Jacob Heinl blieben. Ansonsten hielten sich die Flensburger mit Kontern aus einer akzeptablen Abwehr mit einem sehr starken Keeper Dan Beutler über Wasser.
Die Kreativabteilung konnte das Problem nicht lösen. Patrik Fahlgren erschöpfte sich mit Fehlversuchen gegen die Berliner Mauer mit den bärenstarken Routiniers Denis Spoljaric und Torsten Laen im Zentrum. Szilagyi gab nach einem missglückten Wurf auf. „Wir haben uns zu wenig gegenseitig unterstützt. Ständig stand man allein gegen den Doppelblock. Wir müssen uns jetzt auf Video genau anschauen, was schiefgelaufen ist“, meinte Fahlgren. Die Not in der SG-Offensive, die auch die Außen Anders Eggert und Lasse Svan Hansen kaum ins Spiel zu bringen vermochte, führte zu 13 technischen Fehlern, die Berlin  clever nutzte.
„Die zweite Pleite zu Hause. Da kann man nicht zufrieden sein. Das Einzige, was hier zählt, ist ein Sieg – auch gegen eine starke Mannschaft wie Berlin“, sagte Teammanager Ljubomir Vranjes, der registrierte, dass die Reisetätigkeit der Vorwoche mit den Spielen in Ciudad Real und Hildesheim nachwirkte: „Andere machen das auch und gewinnen trotzdem. Eigentlich war genug Zeit, sich professionell auf Berlin vorzubereiten. Aber der Rhythmus in einer Saison mit Champions League ist anders. Es sieht nicht so aus, dass unsere Spieler sich schon daran gewöhnt haben.“
Die Chancen der SG blieben gegen Berlin bis zum Schluss erhalten, doch anders als in der Vorsaison gelang diesmal in der entscheidenden Phase nicht der Schritt über die Schwelle zum Erfolg. „Diese Qualität haben wir verloren“, sagte Geschäftsführer Holger Kaiser, „Mannschaft und Trainer sind jetzt gefordert, sich dies wieder seriös und  hart zu erarbeiten.“