Stripes
Stripes
Archiv

Energieleistung der Sonderklasse

"Gefühlt gewonnen, auf der Anzeigetafel stand leider etwas anderes", meinte SG-Manager Holger Kaiser milde enttäuscht. 24:24 war dort notiert - wieder eine Sensation in der Handball-Bundesliga: Die SG Flensburg-Handewitt bleibt auch nach dem Krimi in der Partie beim Tabellenzweiten Füchse Berlin im Jahr 2011 unbesiegt. Eine Woche nach dem grandiosen Spiel gegen Ciudad Real legte die Mannschaft von Trainer Ljubomir Vranjes erneut eine Energieleistung der Sonderklasse aufs Parkett der mit 9000 Besuchern ausverkauften Max-Schmeling-Halle.
Wie vor einer Woche avancierte Torhüter Dan Beutler zum Helden des Tages, der zum Schluss in einer Traube seiner Mitspieler gefeiert wurde. Sekunden zuvor hatte der Schwede in der letzten Aktion der Partie nach einem fragwürdigen Pfiff den Siebenmeter von Konrad Wilczynski pariert und das Remis festgehalten. Dennoch überwog unter den elf Aufrechten der SG Flensburg-Handewitt das Gefühl, unverdient mit nur einem Punkt heimzufahren. "Zum Schluss passieren Dinge, die nicht passieren dürfen. Deswegen sage ich: Punkt verloren", kommentierte Vranjes. Auch Petar Djordjic sagte: "So ein Ergebnis ist schade, wenn man vorher so unglaublich gespielt hat. Wir haben mehr verdient, aber da gab es einige sehr unglückliche Entscheidungen." Gemeint waren die Referees Pritschow/ Pritschow, die am Ende völlig die Übersicht verloren. Erst pfiffen sie mit einer Tendenz gegen die Berliner, dann gab es Konzessionsentscheidungen gegen die SG, die zehn Minuten vor dem Ende zu einer 4:6-Unterzahl der Gäste führten.
Das war die Phase, als die Partie eine Wende zu nehmen und Berlin auf die Siegerstraße einzubiegen schien. Zuvor hatte die SG alles unter Kontrolle, führte in der ersten Hälfte bereits mit fünf Toren (12:7/25., 13:8/26.). Und fast wäre schon zur Halbzeit die Vorentscheidung geglückt. Doch drei Großchancen für Boesen, Eggert und Svan führten nicht zum Erfolg, und so ging es nur mit 13:10, statt mit komfortablen fünf oder sechs Toren Vorsprung in die Pause. Erneut war die SG taktisch glänzend eingestellt. Füchse-Kreisläufer Torsten Laen von Tobias Karlsson und Jacob Heinl abgemeldet, die gefürchteten "Halben" Sven-Sören Christophersen und Alexander Petersson von Tamas Mocsai und Lasen Boesen in Schach gehalten - wieder hatte Vranjes die richtigen Ansagen gemacht. "Jedes Spiel eine neue Taktik, es klappt unglaublich", würdigte Djordjic seinen Trainer.
Im Angriff legten die Flensburger nach einer Viertelstunde und 4:6-Rückstand alle Nervosität ab. Dan Beutler war jetzt warmgelaufen, ebenso Lasse Boesen, und fünf Minuten reichten, um das Zwischenergebnis auf 9:6 zu schrauben. Die Berliner waren geschockt, zumal die SG zu diesem Zeitpunkt noch keine Anzeichen von Müdigkeit nach den Strapazen der vorangegangenen sieben Tage zeigte. "Es ist unglaublich, die spielen mit neun Mann drei Mal die Woche und lassen sich nichts anmerken", staunte Alexander Petersson über die ehemaligen Kollegen.
"Diese Mannschaft hat eine fantastische Moral und einen großartigen Charakter", stellte Lasse Boesen fest, der gerade einen Frühling im Herbst der Karriere erlebt. Der Kampfgeist des siebenfachen Torschützen, der Handballverstand von Spielmacher Patrik Fahlgren und schließlich Beutler hielten die SG am Leben, als Berlin immer stärker wurde. Auch nach dem Ausgleich (20:20, 48.), dem ersten Rückstand der zweiten Hälfte (22:23, 55.) und nach dem 22:24 (56.) blieb die SG stehen und kippte nicht. "Überragend sind sie. Supermannschaft, Superspiel - zur Zeit leben meine Spieler von ihrer Euphorie", resümierte Ljubomir Vranjes.