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Ein guter Plan und ein starker Beutler

Der Trainer Ljubomir Vranjes ist offenbar ein Mann mit Fortune. Die Aufgabe ist heikel, doch die ersten Hürden unter neuer Führung hat die SG Flensburg-Handewitt in der Handball-Bundesliga mit Bravour genommen. Das nötigte selbst dem alten Trainerfuchs Sead Hasanefendic Respekt ab. „Ich gratuliere Ljubo. Zwei Spiele, vier Punkte gegen die Rhein-Neckar Löwen und auswärts gegen Gummersbach – das ist nicht selbstverständlich“, sagte der VfL-Trainer nach dem packenden Duell, das seine Mannschaft in der Kölner Arena vor 8394 Zuschauern mit 28:29 (13:17) verloren hatte. Und es schien, als schimmerte bei Hasanefendic ein leiser Stolz darüber durch, dass seinem einstigen Eleven in gemeinsamen Zeiten beim spanischen Club BM Granollers so ein traumhaftes Debüt geglückt ist.
Der 62 Jahre alte Handball-Lehrer weiß natürlich auch, dass es in diesem Geschäft rasante Wendungen geben kann und dass das Glück keine verlässliche Größe ist. „Ich wünsche Ljubo alles, alles Gute in diesem schweren Beruf des Trainers.“ Das war auch als Mahnung zu verstehen, auf dem Teppich zu bleiben. Es lag  am Ende nicht mehr in der Hand von Vranjes, das zweite Spiel unter seiner Regie zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Drunter und drüber ging es in Köln, als Hasanefendic in der Schlussphase das gewöhnliche Handballspiel verbot und mit der offensiven Manndeckung das Kollektiv auflöste. Es ging nur noch Mann gegen Mann. Die SG geriet ins Straucheln, ein 27:21-Vorsprung (52.) schrumpfte auf 28:27 (58.) zusammen. Wer würde nun mehr Kraft, Nervenstärke und Opferbereitschaft in die Waagschale werfen?
Es war die SG, gipfelnd in der finalen Aktion von Viktor Szilagyi, dem zuvor vom Publikum noch einmal herzlich gefeierten Ex-Gummersbacher. Wertvolle Zeit verstrich, als der Österreicher den VfL-Linkshänder Adrian Pfahl packte und am Einwurf hinderte. Das verdiente die Rote Karte, doch nachdem die Strafe ausgesprochen war, blieben Gummersbach nur noch vier Sekunden Zeit. Zu wenig, um noch eine Erfolg versprechende Aktion zu organisieren, wie Hasanefendic beklagte. Szilagyi muss die Tat, die den Sieg rettete, mit einer Sperre am 5. Dezember im Spiel beim TBV Lemgo bezahlen, ansonsten erntete er nur Bewunderung. „Sich so zu opfern, zeigt, dass er Herz mit gebracht hat“, meinte SG-Linksaußen Anders Eggert. „Das muss so sein, alle anderen hätten das auch getan. Es ging schließlich um zwei Punkte“, sagte Spielmacher Thomas Mogensen, dessen Fehlpass auf Eggert die brenzlige Situation verursacht hatte. „Anders wollte etwas, ich wollte was anderes – jetzt können wir darüber lachen.“ Das Schlitzohr selbst gab offiziell noch eine andere Version zu Protokoll: „Für mich war nicht klar, dass Pfahl Einwurf hatte. Ich wollte ihn nur am Gegenstoß-Pass hindern. Aber wenn es Einwurf war, musste es natürlich Rot geben“, sagte Szilagyi.
Zuvor hatte der Neuzugang sein wohl bestes Spiel für die SG geliefert und großen Anteil am bemerkenswert souveränen Auftritt in Köln gehabt. „Er hat seine Rolle bei uns gefunden. Man sieht, dass er Handball denkt“, sagte Eggert, einer der Profiteure vom brillanten Händchen des Österreichers. Bis zum Verzweiflungsakt der Gummersbacher hatte die SG das Spiel total unter Kontrolle, „wir hatten keine Chance“ (Hasanefendic). Das lag an einem guten Plan für den Personaleinsatz und an Details wie einer effektiveren Nutzung von Kreisläufer Jacob Heinl, der „immer richtig stand“, wie Eggert beobachtete.
Szilagyi, Boesen und Carlén begannen im Rückraum, nach 20 Minuten kamen Mogensen und Mocsai, später Djordjic und Fahlgren. Diese und auch spätere Wechsel verliefen ohne große Reibungsverluste. „Ich wollte die Stärken von jedem benutzen. Oscar und Thomas hatten dadurch mehr Kraft zum Schluss“, erläuterte Vranjes, ohne seine nunmehr immer deutlicher erkennbare Handschrift in den Vordergrund zu stellen. „Meine Spieler haben die richtige Einstellung. Sie machen es sehr gut. Mit sechs Toren auswärts gegen Gummersbach zu führen – das ist schon beachtlich.“ Seinen besonderen Dank richtete Vranjes an Torhüter Dan Beutler. „Er hat sich von Minute zu Minute gesteigert und uns mit zum Sieg verholfen. Ich freue mich sehr für ihn.“