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Großes Herz – aber zu wenig Alternativen

Gekämpft bis zum Umfallen,fünf Minuten lang am Sieg geschnuppert und am Ende doch mit drei Toren verloren: Nach dem 25:28 im Viertelfinal- Hinspiel gegen den HSV Hamburg braucht die SG Flensburg-Handewitt am 3. April in der Color Line Arena ein „kleines“ Wunder, um in das Halbfinale der Champions League einzuziehen.
Sie gaben sich kämpferisch, doch ihre Körpersprache sagte etwas anderes. „Die Chance ist noch da“, sagte Per Carlén. „Es sind noch 60 Minuten in Hamburg zu spielen, da ist noch alles drin“, meinte Dan Beutler. Überzeugt klang das nicht, und die nachdenklichen Gesichter des Trainers und seines Torhüters passten auch nicht zu diesen Aussagen. Das Viertelfinale der Champions League droht für die vom Verletzungspech gebeutelte SG Flensburg-Handewitt nach der 25:28 (12:14)-Heimniederlage gegen den HSV Hamburg im ersten Akt des deutsch-deutschen Duells zur Endstation zu werden.
Wie sollen die Flensburger am 3. April in der Color Line Arena erfolgreich Revanche nehmen bei dem dezimierten Kader? Diese Frage stellten sich viele Zuschauer und  auch einige Präsidiumsmitglieder der SG. Die Defizite der Flensburger in der Saison 2008/2009 wurden selten deutlicher als im Spiel gegen den HSV Hamburg. Ohne „Shooter“ aus dem Rückraum sind Spiele gegen Spitzenmannschaften nicht zu gewinnen.
Während sich die Gastgeber während der gesamten 60 Minuten jeden Treffer hart erarbeiten mussten, erzielten Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski einen Großteil ihrer insgesamt neun Treffer auf einfachste Weise: Ball nehmen –  Sprungwurf – Tor. In den vergangenen Jahren hatten „L&L“ für die SG Tore geworfen und erheblichen Anteil daran, dass die SG zwei Mal im Finale der Champions League stand und in der Bundesliga stets um die Meisterschaft mitspielte. Seit dem vergangenen Sommer treffen sie nun für den HSV – die SG hat für sie bislang keinen adäquaten Ersatz gefunden. „Der Rückraum war heute der Unterschied“, musste Oscar Carlén eingestehen.

Der Lijewski-Nachfolger bei der SG war mit insgesamt sieben Treffern zwar der erfolgreichste Werfer der Begegnung gewesen. Doch die meisten Treffer hatte er im Duell Eins gegen Eins mit erheblichem Kraftaufwand erzielt – aber eben nicht aus dem Rückraum. „Uns haben die einfachen Tore gefehlt“, meinte Carlén. Und die Variationsmöglichkeiten im Spielaufbau, um über 60 Minuten gegen einen bis auf Guillaume Gille in Bestbesetzung angetretenen HSV bestehen zu können.
Während die Hanseaten im Rückraum munter durchwechseln konnten – Hens gegen Lackovic, Lijewski gegen Lijewski oder Niemeyer gegen Lijewski, mussten sich auf SG-Seite Lasse Boesen, Thomas Mogensen und Oscar Carlén fast 60 Minuten durchbeißen. Da war abzusehen, dass dem Flensburger Rückraum irgendwann die Luft ausgehen würde. „Ich war nach 45 Minuten völlig kaputt“, gestand Carlén junior, der auch in der Abwehr Schwerstarbeit auf Halb oder in der Mitte zu verrichten hatte.
Dass die SG dennoch für fünf Minuten am Sieg schnuppern durfte, hatte sie einzig und allein ihrer intakten Moral und ihrem Kampfgeist zu verdanken. „Wir haben mit großem Herz gespielt“, lobte Trainer Per Carlén seine Truppe. Doch es fehlten die Alternativen auf der Bank, um nach dem 17:16 und 18:17 den HSV weiter in Schach halten zu können. Beispiel eins: Sebastian Schneider. Der junge Rückraumspieler kam kurze Zeit für Oscar Carlén, machte drei Fehler in Folge und musste wieder auf der Bank Platz nehmen. Beispiel zwei: Torge Johannsen. Der Rechtsaußen brachte die SG zwar mit 17:16 in Führung, doch danach riskierte der 25-Jährige zu viel, warf zwei Mal überhastet aufs Tor und wurde wieder gegen Lasse Svan Hansen ausgewechselt.
In dieser Phase zwischen der 43. und 49. Minute riss der HSV das Heft wieder an sich, machte aus dem 17:18 eine 21:19-Führung und ließ sich danach das Spiel nicht mehr aus der Hand nehmen, weil Torhüter Yogi Bitter in der Schlussphase über sich hinauswuchs und reihenweise beste Chancen der Flensburger vereitelte. „Die letzten zehn Minuten musst du kämpfen wie ein Tier, denn da fällt in der Champions League die Entscheidung. Aber das haben wir nicht geschafft“, ärgerte sich Lasse Boesen. Die Flensburger waren mit ihrer Kraft und Konzentration am Ende. Das schlug sich in technischen Fehlern und Fehlwürfen nieder. Und so etwas rächt sich gegen einen ausgebufften Gegner wie den HSV. Die Chance auf das Halbfinale ist für die SG nach diesem Resultat minimal. Das weiß auch Lasse Boesen. „Jetzt müssen wir in Hamburg ein unglaubliches Spiel abliefern“, meinte der dänische Nationalspieler. Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht sind im Rückspiel ja Johnny Jensen und Alexander Petersson wieder dabei.