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SG spielt mit dem Feuer

Eine Viertelstunde war gegen Haukar Hafnarfjördur gespielt, als in Kent-Harry Andersson eine böse Erinnerung hochstieg. "Das sah genauso aus wie gegen Lubin", meinte der Trainer der SG Flensburg-Handewitt. Es war sogar noch übler als vor einem Jahr gegen den polnischen Außenseiter im ersten Heimspiel der Champions-League-Saison. Am Donnerstag führten die Isländer gegen den deutschen Handball-Vizemeister Mitte der ersten Hälfte mit drei Toren - die Polen hatten die Flensburger erst nach der Pause blamiert.
Das Desaster vom Vorjahr wiederholte sich jedoch nicht. Am Ende des zweiten Spiels in der CL-Gruppe F stand ein 35:29 (19:14)-Erfolg nach einem "harten Stück Arbeit", wie Andersson bemerkte. Etwas lockerer sah es Thomas Mogensen, der beste Mann der zweiten Halbzeit: "Wenn wir richtig Handball spielen, haben die Isländer keine Chance." Das tat die SG aber oft nicht, weil "wir schlecht vorbereitet waren", wie der Trainer freimütig gestand: "Haukar hat uns ein bisschen überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass Spielmacher und Kreisläufer so stark sind. Die haben wir nicht in den Griff bekommen." Die zwei Videos vom isländischen Meister, die Andersson zur Verfügung standen, hatten wenig über den rundlichen und trickreichen Kreisläufer Kari Kristjansson sowie über den wurfstarken Mittelmann Andri Gudrunarson verraten.
Das sind Umstände, die der Analytiker Andersson nicht schätzt: "Gegen Lubin war es genauso. Die kannten wir auch nicht. Dann passiert so etwas." Auch Sportdirektor Anders Dahl-Nielsen fand, dass die Isländer davon profitierten, dass sie weitgehend unbekannt waren: "Man guckt und wartet ab: Was können die, was ist das für ein Gegner? Dadurch wird man zu passiv, und das ist gefährlich."

Thomas Mogensen

Umgekehrt war allerdings auch zu sehen, was exakte Vorbereitung ausmacht. Die 5:1-Abwehr von Haukar war der SG wohl bekannt. "Mit der Deckung haben wir gemacht, was wir wollten", so Dahl-Nielsen. Besonders der nach der Niederlage in Veszprem in die Kritik geratene Alen Muratovic nutzte die Lücken im offensiven Verband der Isländer weidlich aus und sorgte mit sieben Tore allein vor der Pause dafür, dass sich die Nöte der SG in Grenzen hielten.
Auch Torhüter Jendrik Meyer, der hinter der Wackel-Abwehr unglücklich begonnen hatte, steigerte sich und hielt seiner Mannschaft mit 16 Paraden den Rücken frei. "Das war okay, aber okay ist nicht mein Anspruch", meinte der 26-Jährige, der seinen Einsatz herbeigesehnt hatte, "um die Leistung von Veszprem so schnell wie möglich zu relativieren." Daher sei er auch nicht erschrocken, als er am Mittwoch gehört hatte, dass Dan Beutler wegen einer Leistenverletzung ausfallen würde. "Für die Mannschaft ein Problem, für mich eine Chance", sagte Meyer, der in Fynn Holpert einen kritischen Fürsprecher hat. "Es war heute wichtig, zu sehen, dass er es kann. Aber ich wünsche mir noch mehr Präsenz von Jendrik. Er muss emotionaler werden, zeigen, dass er da ist und seinen Vorderleuten in den Hintern treten."
Diese Möglichkeit gibt es vielleicht schon heute im Heimspiel gegen TuSEM Essen. Nach wie vor ist fraglich, ob und wie lange Beutler spielen kann. Ebenfalls angeschlagen ist Ljubomir Vranjes nach einem "Pferdekuss".
Die Essener haben zuletzt in Nordhorn gezeigt, "dass man sie nicht mal eben so wegspielt. Da sind sie nur an einem überragenden Torwart Peter Gentzel gescheitert", wie Fynn Holpert feststellte. Bei den Westdeutschen fehlen mit Linkshänder Evars Klesnik und Kreisläufer Vaclav Vrany zwei Stammkräfte. Und wohl auch Routinier Andrej Siniak. Der Verein soll den Vertrag mit dem 36 Jahre alten Rückraumspieler auf dessen Wunsch mit sofortiger Wirkung aufgelöst haben. Siniak wolle näher bei seiner Familie sein, die im Raum Mannheim lebt.