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Flensburger werden freundlich begrüßt und bissig bekämpft

Pflicht erfüllt: Die SG Flensburg-Handewitt hat am zweiten Spieltag in der Champions League einen 33:30 (18:15)-Sieg beim norwegischen Meister Drammen HK erzielt. Damit rückte die Qualifikation für die zweite Gruppenphase ein großes Stück näher.
Es blieb nicht ohne Wirkung, dass sich die Norweger vor dem Spiel kleiner machten als sie sind. "Was soll ich sagen, ich bin ein alter Sack", meinte Glenn Solberg auf die Frage, wie es um seine Fitness stehe. Nein, keine Chance werde der Drammen HK gegen die SG haben, sagte der 35 Jahre alte Spielmacher, "Flensburg-Handewitt, das ist ein ganz anderes Niveau." Dann erlebte Kent-Harry Andersson einen Empfang "wie im Märchen". Freundlichen Applaus habe er ja wohl an seiner einstigen Wirkungsstätte erwartet, "aber das war ja unglaublich", sagte der SG-Trainer. Drammens Handball-Fans haben den 58 Jahre alten Schweden nicht vergessen, der den Klub 1996 zum einzigen Europacup-Sieg, den Norwegens Sport je feiern dufte, geführt hatte. Mit stehenden Ovationen wurde Andersson gefeiert, viel enthusiastischer als die aktuellen einheimischen Spieler.
Angesichts von soviel Ehrerbietung fiel es den Gästen schwer, den nötigen Ernst für ein vorentscheidendes Gruppenspiel in der Champions League aufzubringen. Der Außenseiter hingegen schaltete nahtlos von Freundlichkeit auf Bissigkeit um und machte dem Vorjahresfinalisten in nur vier Minuten deutlich, dass dies kein gemütlicher Abend werden würde. 5:2 führten die Norweger, bevor die Flensburger richtig in der Halle angekommen waren.

Dan Beutler hatte Pech.

Mühsam drehte die SG Mitte der ersten Hälfte ein Spiel, das "nicht unser bestes" war, wie SG-Kapitän Ljubomir Vranjes einräumte. "Wir sind hierher gefahren, um zwei Punkte zu holen, das haben wir geschafft. Das ist das einzige, was man dazu sagen kann", sagte der Schwede und gab dann doch noch Erläuterndes preis. "Wir haben jeden dritten, vierten Tag gegen eine Spitzenmannschaft gespielt. Das kostet Kraft, da werden die Beine schwer, und der Kopf ist nicht mehr ganz dabei."
Prompt kam den Flensburgern die Marschroute abhanden. "Wir müssen knallhart rangehen, auf Bundesliga-Niveau. Wenn du gegen skandinavische Mannschaften nur Handball spielst, dann spielen die sehr gut mit", hatte Co-Trainer Jan Paulsen gewarnt. Tatsächlich entfachten die Norweger von Beginn an einen Angriffswirbel. Schlachtenlenker Solberg setzte wie zu besten Zeiten den ebenso welterfahrenen Halblinken Frode Hagen in Szene oder steckte die Bälle zum Kreisläufertalent Vegard Strand durch. "Glenn ist immer noch Weltklasse, genau wie Frode", bescheinigte Kent-Harry Andersson seinen ehemaligen Schülern.
Sie genossen allerdings Freiheiten, die in der Champions League unüblich sind. "Man sah, dass wir uns im Angriff jederzeit Tore erspielen konnten. Das hat wohl zu einer Einstellung in der Deckung geführt, die nicht optimal war", stellte SG-Sportdirektor Anders Dahl-Nielsen fest. Johnny Jensen ärgerte sich darüber, dass man den Landsleuten nicht mehr zugesetzt hatte: "Mit der richtigen Einstellung lassen wir denen keine Chance. Aber das bekommt nicht jeder bei uns hin."
Michael Knudsen sagte, dass es nach den jüngsten Glanztaten in der Bundesliga einfach nicht möglich sei, sich auf einen Gegner wie Drammen ebenso zu konzentrieren wie auf Hamburg und Kiel: "Deshalb waren wir nur mit 80 Prozent dabei." Sich selbst durfte der Kreisläufer von dieser Einschätzung ausnehmen. Zusammen mit Kasper Nielsen war Knudsen der erfolgreichste Angreifer und seine drei Zeitstrafen zeugen auch nicht von Mangel an Einsatz in der Abwehr. Daher wurde er zum Spieler des Tages ernannt und bekam dafür einen Preis, der ihn etwas irritierte. "Ein norwegisches Nationaltrikot - also nein, das ist blöd", sagte der Däne. Das Jersey reichte Knudsen an einen glücklichen Schlachtenbummler weiter.

SG-Splitter

Pechvogel: Ein kurioses Missgeschick unterlief Dan Beutler, der in der 13. Minute ins Tor kam, nur 60 Sekunden später taumelnd das Spielfeld verließ und an der Seitenlinie zusammensackte. Der Schwede hatte  vergessen, wo sein Tor steht. "Ich drehte mich um nach dem Wurf, der danebenging. Plötzlich war da der Pfosten und ich knallte mit der Nase dagegen", berichtete der Keeper, der gestern seinen 30. Geburtstag mit   lädiertem Riechorgan beging, weil "Energie nicht verloren geht, sondern nur umgewandelt wird", wie Physiotherapeut Andreas Mau lakonisch feststellte. Ein genauer Befund über den Schaden steht noch aus, Mau gab vorsichtige Entwarnung: "Unsere Nasenbeinbrüche haben immer mehr geblutet."

Vegard Strand

Altmeister: Eigentlich hatten Glenn Solberg (35) und Frode Hagen (34) ihre  internationale Karriere  beendet. Doch für die Heim-EM (17. -27. Januar 2008) wollen sie das norwegische Trikot noch einmal überstreifen - "wenn wir gut genug sind", wie Hagen einschränkend sagte. Am Sonnabend ließen sie  daran keinen Zweifel. "Alt und gut" titelte gestern das Boulevard-Blatt "VG", ihr einstiger Lehrmeister Kent-Harry Andersson befand: "Sie werden Norwegens Handball gut tun." Für die EM legen die Veteranen, die nur noch fünf Mal wöchentlich regulär trainieren, Extraschichten ein. "Zweimal die Woche treffe ich mich mit Glenn zum Krafttraining", erzählte Hagen, dessen Leben sonst um die Familie mit zwei Kindern und seinen Beruf als Händler von Sportlernahrung kreist.
Talente: Neben Solberg und Hagen stachen bei Drammen  vier junge Akteure ins Auge. Torhüter Simen Hansen (26), Linksaußen Jan-Richard Hansen (24), Linkshänder Marius Hovde Andersen (24) und Kreisläufer Vegard Strand (21) verdienten sich gute Noten. "Typisch skandinavisch, stark im Kollektiv, technisch sehr gut ausgebildet", lobte SG-Sportdirektor Anders Dahl-Nielsen. Ein ungeschliffenes Juwel sah er jedoch nicht: "Für die Bundesliga fehlt doch ein gutes Stück.