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Zum Schluss wirft die SG den Sieg weg

Dieser Blackout kann teuer werden für die  SG Flensburg-Handewitt. Beim 33:33 gegen den HSV Hamburg zum Hauptrunden-Auftakt der Champions League gab der Vorjahresfinalist einen sicheren Sieg aus der Hand.
Sie konnten es nicht fassen. Die "Sieger" nicht, und die "Verlierer" schon gar nicht. Fast verhalten feierten die Spieler des HSV Hamburg den Triumph, in der Campushalle einen äußerst wertvollen Punkt erobert zu haben. In einer blauen Traube, in die erst zögernd Leben kam, scharten sie sich um Kyung-Shin Yoon, der den Gästen ein böses Déjà-vu erspart hatte. Kopfschüttelnd, gebeugt, mit leerem Blick standen die Flensburger auf der anderen Seite des Spielfeldes und versuchten zu verarbeiten, wie es zu diesem 33:33 (17:13) hatte kommen können. "Das darf nicht passieren. Das ist bitter. Wir hatten das Spiel völlig im Griff", kommentierte Lars Christiansen die gefühlte Niederlage. Das Halbfinale in der Champions League ist für die SG nun in einige Ferne gerückt.

Kent-Harry Andersson rätselte über das Ende.

Der Showdown gestern vor 6300 Zuschauern war der Partie auf höchstem kämpferischen und teilweise auch spielerischem Niveau würdig. Sekunden vor Schluss trat Yoon zum Siebenmeter gegen Dan Beutler an. Anders als nach einem ähnlichen Drama vor viereinhalb Monaten gewann diesmal der Hamburger das finale Duell. Damals war der Schwede mit einer Parade gegen  Bertrand Gille zum Helden des Tages geworden.
Diese Rolle teilten sich aus Hamburger Sicht der Koreaner, der zuvor auch den Anschlusstreffer zum 32:33 erzielt hatte, und der ehemalige Flensburger Stefan Schröder. Der Rechtsaußen machte aus fünf Chancen fünf Tore, hielt in der Abwehr den SG-Torjäger Christiansen in Schach und holte den Siebenmeter zum Ausgleich heraus. "Schröder war heute ein ganz entscheidender Faktor", lobte HSV-Trainer Martin Schwalb.
Alles Mühen von Yoon und Schröder wäre jedoch verpufft, hätte die SG nicht zum zweiten Mal das Schicksal herausgefordert. "Es war das gleiche wie in Hamburg. Da haben auch mit sechs Toren geführt und dann aufgehört, vorn konzentriert zu spielen", meinte Manager Fynn Holpert. Beim 30:24 nach 50 Minuten schien es sehr gewagt, noch auf den HSV zu wetten. "Es war ein Spiel, in dem alles passte. Die Abwehr stand super, es war egal, dass Johnny Jensen und Michael Knudsen fehlten", meinte Christiansen.
Doch dann passte völlig unvermittelt nichts mehr. Nach makellosen 20 Minuten im zweiten Durchgang produzierte die SG plötzlich technische Fehler in Serie. "Vier, fünf älle weggeschmissen - und dann standen sie plötzlich wie das Kaninchen vor der Schlange", beobachtete Holpert.

Es lief lange gut für Thomas Mogensen und Co.

Drei Tempo-Tore von Bertrand Gille und Schröder (2), drei Kracher aus dem Rückraum von Hens und Yoon - und der HSV war auf 29:30 (55.) dran. Noch drei Mal legte die SG zwei Tore vor, zuletzt mit dem 33:31, einem Siebenmeter, den Christiansen sicher gegen Bitter verwandelte - gut 50 Sekunden vor Schluss. Die Entscheidung, so schien es. Yoon glückte zwar unmittelbar darauf der Anschluss, doch was sollte der SG in Ballbesitz in den letzten 25 Sekunden noch passieren?
"Da versteckt man den Ball unter dem Trikot, damit die anderen keine Chance bekommen", sagte Christiansen.  Stattdessen versuchte Blazenko Lackovic ein Anspiel auf seinen Linksaußen. Schröder spritzte in den ungenauen Pass, wurde vorn von Petersson umgerissen, wodurch es zum entscheidenden Strafwurf kam.
Die Flensburger waren anschließend bemüht, das Positive aus den dramatischen 60 Minuten zu filtern. "Ich bin nicht richtig enttäuscht. 50 Minuten haben wir tollen Handbal gespielt. Leider sind in den letzten zehn Minuten zu viele Fehler passiert", sagte  SG-Trainer Kent-Harry Andersson. "In der zweiten Halbzeit hat man gesehen, dass wir eine ganz neue Abwehrformation spielen mussten. Da gab es einige Abstimmungsschwierigkeiten." Darunter litten auch die SG-Torhüter Beutler und Sijan, die den Vergleich mit ihren Hamburger Gegenübern Bitter und Sandström  mit 8:14 Paraden klar verloren.
Großes Lob gab es hingegegen für den Debütanten Jacob Heinl. Der  21-Jährige, der am Mittwoch in Balingen schon kurz Bundesliga-Luft hatte schnuppern dürfen, erlebte nun seine Feuerprobe in der Königsklasse, weil Michael Knudsen  schon nach drei Minuten zu Boden ging. Der Kreisläufer erlitt eine schwere Prellung mit Einblutung in den Hüftmuskel, wie  eine sofortige Ultraschall-Untersuchung ergab. "Sehr schmerzhaft. Knudsen konnte das Bein nicht mehr belasten. Er braucht jetzt mindestens fünf Tage Pause", sagte SG-Arzt Dr. Hauke Mommsen. Heinl machte seine Sache glänzend, erzielte sogar sein erstes Pflichtspiel-Tor für die SG.