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Mogensen trat die Lawine los

Wichtigste Erkenntnis des sechsten Spieltages in der Handball-Bundesliga: Der THW Kiel ist doch nicht unbesiegbar. Mit großem Kampfgeist und einer gehörigen Portion Frechheit schaffte die SG Flensburg-Handewitt am Sonnabend einen nie erwarteten 37:32 (20:13)-Erfolg im Landesderby.
Lars Christiansen hat einen Rat an alle künftigen Gegner des THW Kiel. "Du darfst keine Angst haben. Du musst immer weiter spielen und laufen, laufen, laufen. Viele Mannschaften geben einfach zu früh auf, deswegen sieht der THW so überlegen aus", sagte der Linksaußen der SG Flensburg-Handewitt.
Keine Angst - das war das Leitmotiv der Flensburger, die alle Welt als Außenseiter im 58. Schleswig-Holstein-Derby angesehen hatte. Nun atmet die Liga auf. Wer, wenn nicht der erfolgreichste Zebra-Jäger der letzten Jahre, hätte den THW schlagen sollen? Mit der 32:37 (13:20)-Niederlage in Flensburg ist der nach dem Triple-Gewinn weiter aufgerüstete Kieler Luxuskader wohl nicht auf Normalmaß reduziert, aber doch um einen Teil seines Nimbus beraubt worden.

Michael Knudsen gehörte zu den Leistungsträgern.

7:4 führten die Gäste nach neun Minuten in der Campushalle, alles schien den erwarteten Verlauf zu nehmen. Doch die Flensburger fügten sich nicht ins scheinbar Unvermeidliche. Der überragende Torhüter Dan Beutler parierte einen Strafwurf gegen Nikola Karabatic. Das war das erste Signal. Christiansen gewann anschließend die drei Duelle vom Siebenmeterpunkt gegen Thierry Omeyer - es stand nur noch 7:8 aus Flensburger Sicht.
Dann kam Thomas Mogensen. Keine Angst - das wurde von dem 24 Jahre alten Dänen in seinem sechsten Spiel in der stärksten Liga der Welt gegen die aktuell beste Mannschaft der Welt vorgelebt. In zwei blitzartigen Kontern stellte Mogensen Ausgleich und Führung (9:8, 16.) her und trat die SG-Lawine los. In den folgenden 14 Minuten wurden die konsternierten Kieler glatt überrollt. Neben Mogensen stach besonders Torge Johannsen hervor. Im Champions-League-Finale noch die tragische Figur, ließ sich der Rechtsaußen diesmal nicht vom Torwart-Titanen Omeyer beeindrucken und erzielte freche fünf Tore. "Ich hatte noch eine Rechnung mit mir offen. Die habe ich jetzt beglichen", sagte Johannsen.

Die Körpersprache sagte alles.

Die Flensburger verloren den Mut auch nicht, als die Führung, die zwischenzeitlich bei acht Toren Differenz gestanden hatte, nach der Pause zusammenschmolz. Omeyer hatte seine Leistung stabilisiert, Karabatic trotz etlicher Fehlversuche nicht aufgesteckt und noch standesgemäße zehn Treffer erzielt, Kim Andersson war aus dem Tief der ersten Hälfte aufgestanden. Auf 26:28 hatte sich der THW herangearbeitet, das Spiel stand wieder auf der Kippe.
Doch die Flensburger Nerven hielten stand. "Es ist alles Kopfsache. Da musst du stark sein", sagte Dan Beutler und verriet, woher die SG-Spieler die mentale Kraft für die letzten zehn Minuten genommen hatten. "Noka Serdarusic hatte gesagt, Flensburg ist kein Gegner für Kiel. Das hat sehr geholfen." Nanu? Ein solches Zitat vom THW-Trainer ist nicht überliefert. Doch, beharrte Beutler, das habe er im Radio gesagt, Fynn Holpert habe es der Mannschaft berichtet. "Ja, ich habe das Freitag erzählt und mich empört über diese Respektlosigkeit", gestand der SG-Manager seinen Psychotrick. Darf man das? "Weiß ich nicht. Ich mache so was", sagte Holpert.

Taktik im Detail

Die größte Sorge von SG-Trainer Kent-Harry Andersson galt dem  Kieler Rückraum mit den überragenden Schützen Nikola Karabatic und Kim Andersson. Die erste Priorität legte er deshlab auf die Stabilisierung der Abwehr. Kasper Nielsen begann daher als Halbverteidiger auf der linken Seite, um den ersten Ansturm des THW zu bremsen. Nielsen war jedoch indisponiert, so dass Andersson bald gezwungen war, die Variante Thomas Mogensen zu bringen - Risiko in der Deckung, aber scharfe Waffe beim Konter. Der Wechsel traf doppelt ins Schwarze, weil das THW-Konzept einer 5:1-Deckung mit Dominik Klein als versetzter Spitze gegen Marcin Lijewski nicht aufging. Links war dadurch viel Platz für den offenbar unterschätzten Mogensen. Dessen Mangel an Erfahrung in der Abwehr kam nicht entscheidend zum Tragen, weil Kim Andersson zu spät zu Normalform fand.

In der Bundesliga angekommen

Diese 13 Sekunden wird Thomas Mogensen vermutlich sein Leben lang nicht vergessen. Es war die Zeitspanne, die zwischen seinen beiden Tempogegenstößen zum 8:8 und 9:8 verging. Der Doppelschlag, der selbst im modernen Tempohandball einen Rekord darstellen dürfte, leitete den Untergang des THW Kiel am Sonnabend in Flensburg ein.
Gleichzeitig begann ein neuer Stern in der Handball-Bundesliga zu strahlen. Mit seinen acht Toren gegen Kiel ist Thomas Mogensen endgültig in der  Eliteklasse angekommen - ein weiterer Akteur, der die Trainer der kommenden Gegner der SG Flensburg-Handewitt intensiv beschäftigen wird. "Die Kieler haben wohl nicht so viele Videos von mir angesehen. Künftig bekomme ich wohl mehr Aufmerksamkeit", vermutet der Däne.

Held des Tages: Thomas Mogensen

Mit seiner Leistung gegen Kiel beeindruckte er aber auch Mitspieler und Trainer. "Genau solche Leute brauchen wir. Thomas ist so hungrig", sagte Torhüter Dan Beutler und Kreisläufer Michael Knudsen verstieg sich zu dem Lob: "Mogensen ist eben Flensburgs kleiner Karabatic."
Für Trainer Kent-Harry Andersson war der dänische Nationalspieler zunächst nicht die erste Wahl, als die SG einen Nachfolger für Joachim Boldsen suchte. Jetzt verblüfft ihn Mogensen, dessen Verpflichtung Sportdirektor Anders Dahl-Nielsen durchgesetzt hatte,  jeden Tag aufs Neue. "Man soll ja vorsichtig sein mit dem Prädikat Weltklasse. Aber das war die  Leistung von Thomas heute. Ich bin wirklich überrascht", sagte der Schwede, die rasante Entwicklung des 24-Jährigen aber erklären kann: "Er ist ein sehr intelligenter Spieler. Er analysiert und fragt und denkt sehr viel nach. Thomas hat eine unglaublich gute Einstellung."
Der Held des Tages selbst blieb bescheiden: "Es kommen  andere Spiele. So gut kann ich nicht jedes Mal sein." Mogensen weiß, dass er vor allem in der Abwehr an sich arbeiten muss. "In den ersten zwei, drei Spielen war es  sehr schwer. Jetzt fühle ich mich schon besser. Johnny Jensen spricht viel mit mir, Michael Knudsen und Kasper Nielsen helfen - das ist perfekt."