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Aufsteiger Essen lässt auch die SG straucheln

Das war es mit der schönen weißen Weste der SG Flensburg-Handewitt. Mit einem 29:29 wurde der Vorjahresdritte der Handball-Bundesliga zum zweiten Opfer von Aufsteiger und Favoritenschreck TUSEM Essen.
Schon die Szenerie war tückisch. Mitten in einem Wohngebiet eine kleine, vom Tageslicht durchflutete Halle mit dem seltsamen Namen "Sportpark am Hallo", die Ränge nur zu zwei Dritteln besetzt: Das fühlte sich nicht wirklich wie die Handball-Bundesliga 2007 an. Und dann eine Partie gegen einen Aufsteiger - da waren alle Voraussetzungen gegeben, Konzentration und Anspannung nicht auf das Äußerste zu treiben.
Was in den 60 Minuten in den Spielern der SG Flensburg-Handewitt am Sonnabend vor sich ging, beschrieb Kapitän Ljubomir Vranjes so: "Unser größter Fehler war, dass wir keine Intensität hinbekommen haben. Wir hatten einen Plan, wussten was wir tun wollten, aber die Beine waren nicht dabei." So kam es, dass der Favorit am Ende heilfroh sein musste, im Gegensatz zu den in der Vorwoche geschlagenen Rhein-Neckar-Löwen mit einem 29:29 (15:16) und wenigstens einem Punkt aus Essen heimzukehren.  SG-Teammanager Anders Dahl-Nielsen prophezeite: "In dieser Halle wird Essen noch viele Punkte einfahren."
Beinahe wären es auch am Sonnabend zwei geworden. Mit 24:19 führte der TUSEM nach 43 Minuten, die SG schlitterte einem Desaster entgegen. Dass die Gastgeber unterschätzt worden wären, bestritten alle Flensburger. "Wir haben jedes Spiel von denen auf Video analysiert. Die sind taktisch sehr gut eingestellt und kämpfen wie die Schweine. Wir wussten, dass es schwer wird", sagte etwa Marcin Lijewski. Der Pole, der erneut Verhandlungen für 2009 mit dem HSV Hamburg bestätigte, hatte wieder einen seiner berüchtigten divenhaften Auftritte hinter sich. Einerseits erzielte er Tore, wie nur er sie zelebrieren kann und war maßglich an der Wende im Spiel beteiligt. Andererseits wirkte er phasenweise so uninspiriert, als ginge ihn das alles gar nichts an.
Auch andere aus dem momentanen Stamm waren in Essen nicht auf der Höhe. Kasper Nielsen hatte nach zwei bärenstarken Spielen zuvor diesmal nur einen dürftigen Kurzauftritt. Michael Knudsen hatte im Abschlusstraining einen Schlag auf den Oberschenkel bekommen und soll eigentlich gar nicht spielen. Damit war die Abwehr der Flensburger  deutlich geschwächt. Thomas Mogensen ist noch nicht in der Lage, in der Defensive auf SG-Level zu spielen. Ingesamt ließ die gesamte 6:0-Fomation die Aggressivität und Beweglichkeit vermissen, die nötig gewesen wäre, um den quirligen  TUSEM-Rückraum zu stoppen. Vorn hatte die SG ihre liebe Mühe mit der 5:1-Deckung der Gäste. "Irgendwann hatten wir einen Spielzug gefunden, der funktionierte, aber dann haben wir wieder aufgehört, ihn zu spielen", beschrieb Lijewski die Konfusion im Angriff. Übleres verhinderte lange Zeit Dan Beutler im SG-Tor, der 20 Würfe, darunter zwei Siebenmeter, parierte.
Linksaußen Lars Christiansen sagte später: "Man hat in jedem Spiel mal ein Tief. Unseres hat heute leider etwas zu lange gedauert." Erst um die 45. Minute hatte die SG den Ausweg gefunden. Trainer Kent-Harry Andersson hatte die Abwehr umgestellt, Knudsen doch noch in die Schlacht geworfen ("Das musste sein") und Alexander Petersson in die Spitze einer 5:1-Formation beordert. Damit war Essen der Schwung genommen. Im Angriff wurden Lijewski, Mogensen, der viel Herz bewies, und Anders Eggert zu den entscheidenden Figuren. Endlich gelang es ihnen, den zuvor überragend TUSEM-Torhüter Gerrie Eijlers zu bezwingen. Die Wende war drei Minuten vor Schluss mit der 27:26-Führung vollzogen. Sie hielt bis zum 29:28. Dann glückte Andrej Siniak ein Husarenstück. Wieder Sinjak.
Der aus Kronau gekommene Weißrusse hatte schon zu seinen Lemgoer Zeiten der SG im April 2000 einen Heimsieg entrissen - mit einem Treffer, an den er sich nun zu erinnern schien. Aus etwa zehn Metern wagte er zwei Sekunden vor Schluss einen Stemmwurf über den Kopf von Michael Knudsen, der sich duckte, hinweg. Beutler war machtlos: "Ich habe so etwas erwartet, aber den Ball nicht gesehen, weil Michael davorstand." Trainer Andersson äußerte Verständnis dafür, dass Knudsen den Kopf nicht hinhielt. "Das war wohl ein Reflex, nachdem er sich schon zwei Mal die Nase gebrochen hatte."
Ingesamt, räumte Andersson ein, sei das Remis gerecht: "Essen hat sich den Punkt zu 100 Prozent verdient. Wir müssen zufrieden sein, nachdem schon mit fünf Toren hinten waren."