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Wechselspiel mit unangenehmen Nebenwirkungen

Die SG Flensburg-Handewitt hat in der neuen Bundesliga-Saison erstmals die magische Grenze von 40 Toren geknackt. Gegen den letztjährigen Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten kam ein in der Abwehr lange Zeit körperlos agierender Gastgeber allerdings erst in der Schlussphase zum deutlichen 41:31 (21:19)-Erfolg.
Ein Sieg mit zehn Toren, das war doch eine klare Sache, sollte man meinen. War es aber nicht. Die SG Flensburg-Handewitt tat sich am Mittwoch vor 6107 Zuschauern in der Campushalle im zweiten Heimspiel gegen den Vorjahresneuling HBW Balingen-Weilstetten lange Zeit schwer. Bis zum 26:26 in der 42. Minute boten die kess aufspielenden Gäste dem Tabellenzweiten der Handball-Bundesliga erfolgreich Paroli und sorgten mit ihren Ballstafetten mehrfach für Raunen auf der Tribüne.
Am Ende setzte sich die  SG aber doch mit 41:31 durch, obwohl Trainer Kent-Harry Andersson Leistungsträger wie Ljubomir Vranjes und Lars Christiansen sowie Neuzugang Einar Holmgeirsson 60 Minuten auf der Bank ließ. "Jetzt fangen die englischen Wochen an, da brauchen wir jeden Spieler. Deshalb habe ich einige geschont, um anderen die Möglichkeit zu geben, weitere Spielpraxis zu sammeln", begründete der Schwede die Rotation auf dem Spielfeld. Denn in der Anfangsformation  hatten überraschend die Neuzugänge Thomas Mogensen und Dane Sijan im Tor. Diese Wechselspiel hatte jedoch unerwartete Nebenwirkungen. Das Angriffsspiel der Gastgeber lief zwar prächtig, dagegen war die Defensive zwei Drittel der Begegnung überhaupt nicht vorhanden. "Es war so eine Art Waffenstillstand", meinte SG-Sportdirektor Anders Dahl-Nielsen. "Die Spieler wollten in den ersten 40 Minuten anscheinend testen, wie viele freie Würfe die Torhüter halten können." Dane Sijan wurde zum Opfer des Nichtangriffspakts der Flensburger Abwehr. Der Serbe bekam in den 16 Minuten nur einen Ball zu fassen und machte danach entnervt Dan Beutler Platz. Auch der Schwede parierte bis zur Pause lediglich drei Würfe. Aber als "Mr. Europacup" sich nach 42 Minuten "warm" gespielt hatte, war es um Balingen schnell geschehen. Innerhalb von vier Minuten machte die SG aus dem 26:26 ein 30:26 und zog danach doch noch zum standesgemäßen Erfolg auf und davon.

Die SG-Abwehr stand nicht immer wie eine Mauer.

Der SG-Trainer registrierte das mit Genugtuung. "Wir haben heute im Angriff überragend gespielt", befand Andersson und hatte ein besonderes Lob für den neuen Spielmacher Thomas Mogensen, der vorn glänzend Regie geführt hatte. "Mit Ljubomir hätten wir auch nicht mehr Tore geworfen." Nachdenklich im Hinblick auf die nächste schwere Auswärtsaufgabe in Essen stimmte den Coach jedoch die Abwehrleistung. "Wir haben anfangs überhaupt kein Torhüter-Spiel gehabt, und das hat die Deckung verunsichert. Aber zum Glück hat Dan Beutler in der zweiten Halbzeit viele Bälle gehalten."
In der Tat war Dan Beutler mit einer Quote von 47 Prozent einer der Matchwinner im SG-Team. Doch das interessierte ihn wenig. "Ich finde es schade für Dane. Da spielt er das erste Mal in der Bundesliga von Beginn an, und dann ist die Abwehr nicht da." Ljubomir Vranjes, der die Partie aus ungewohnter Perspektive verfolgt hatte, sah es etwas anders.
"Dane hätte einige Bälle halten müssen, das hat die Abwehr verunsichert, und deshalb hatten wir lange Zeit Probleme." Wohl beide hatten mit ihrer Analyse recht. Eine gute Defensive funktioniert nur im Zusammenspiel zwischen Deckung und Torhüter. "Du musst nur ein paar Bälle halten, dann kommt auch die Abwehr", erklärte Beutler - wie eben nach der Pause.

Michael Knudsen

Dennoch war offenkundig, dass Thomas Mogensen noch einige Zeit benötigen wird, um sich in den Deckungsverband zu integrieren. Junioren-Vizeweltmeister Martin Strobel auf der ungewohnten halbrechten Rückraumposition (Beutler: "Das ist ein Superspieler") ließ Mogensen vor der Pause ziemlich "alt" aussehen. Erst als Kasper Nielsen auf die Zwei in der 6:0-Deckung rückte und Johnny Jensen mit Michael Knudsen das Zentrum bildete, wurde die SG-Defensive stabiler, und leichte Tore waren die logische Folge. "Wir werden uns hinten steigern müssen, sonst verlieren gegen eine Spitzenmannschaft so ein Spiel", warnte Dan Beutler. Am Sonnabend in Essen können seine Vorderleute zeigen, ob sie sich seine Worte gemerkt haben.