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SG schüttelt das Trauma Kölnarena ab

Nach einer Zitterpartie hat es die SG Flensburg- Handewitt endlich geschafft. Mit 30:28 (17:11) glückte gestern der erste Triumph über den VfL Gummersbach in der Kölnarena. Zuvor hätten sich die Flensburger aber beinahe um die Früchte einer glänzenden ersten Halbzeit gebracht.
Kent-Harry Andersson nutzte jede noch so kleine Möglichkeit, um alles aus seiner Mannschaft herauszukitzeln. So ließ der Trainer der SG Flensburg-Handewitt am Freitag den eigenen Ehrgeiz ruhen  und gab sich in einer Partie Golf gegen Kasper Nielsen geschlagen. Der Däne besiegte nicht nur Andersson, sondern spielte auch eine sehr respektable Runde (für Golfkenner: 39 Punkte). "Nicht schlecht. Da hat er noch mal einen Schub Selbstvertrauen bekommen", sagte der Schwede.
Speziell in Nielsen hatte Andersson für die Partie beim VfL Gummersbach besondere Hoffnungen und Erwartungen gesetzt. Sie wurden erfüllt. "Kasper war unser bester Mann", lobte der SG-Coach den 32-jährigen Vertreter des verletzten  Blazenko Lackovic auf der "Königsposition" im Rückraum links. Sieben Tore, davon zwei ganz wichtige zum Schluss, und eine starke Abwehrleistung - Nielsen war ein Matchwinner.
Bevor aber mit 30:28 (17:11) der erste Sieg im siebten Anlauf in der Kölnarena feststand, hatten die Flensburger dramatische Momente zu überstehen. Ein mit beeindruckender Leichtigkeit erspielter Neun-Tore-Vorsprung (18:7) hatte sich zwischen 26. und 51. Minute in ein bedrohliches 24:24 verwandelt. Doch die Nerven der Flensburger hielten. Mit einem Dauerlauf am späten Sonnabend nach langer Busreise und einem Spaziergang gestern morgen am Rhein in Königswinter hatten die SG-Akteure mentale Kraft getankt.

In der Bewältigung der höchst kritischen Situation sah Andersson Anzeichen für einen "besseren Teamgeist als in der letzten Saison." Auch Kapitän Ljubomir Vranjes glaubt, dass die Flensburger eher Kraft aus dem Happyend schöpfen, als dass sie sich durch den Beinahe-Absturz verunsichern lassen. "Das war sehr gut, wie wir zurückgekommen sind. Das zeigt, dass wir eine Mannschaft sind, die kämpfen kann", meinte der Spielmacher. Dass neun Tore flöten gingen, war für Vranjes nichts Besonderes. "Das passiert eben, das geht schnell im Handball. Du musst dann nur die Ruhe bewahren."
Linksaußen Lars Christiansen hatte zur Pause geradezu prophetisch die Entwicklung vorweggenommen: "Die Gummersbacher werden herankommen, aber sie werden uns nicht besiegen." Tatsächlich durfte kein Verlass darauf sein, dass sich die Gastgeber noch eine so lethargische Halbzeit leisten würden. Nach einer 5:4-Führung (6.) stellten sie beinahe jede Gegenwehr ein. Der VfL resignierte im Angriff vor der Flensburger 6:0-Abwehr mit einem glänzenden Torhüter Dan Beutler im Rücken. Hinten schauten die Gummersbacher wie gelähmt den SG-Kombinationen zu. Nielsen, Christiansen und Kreisläufer Michael Knudsen nahmen die Einladung zum Torewerfen dankbar an. Die nur knapp zur Hälfte gefüllte Kölnarena schwieg dazu.
Doch plötzlich war wieder Leben im imposanten Rund. Als hätte VfL-Trainer Alfred Gislasson in der Kabine einen Schalter umgelegt, sprühte sein Team vor Aggressivität und Spielfreude, der für Nandor Fazekas gekommene Goran Stojanovic vernagelte das Tor der Gastgeber. Ein Volltreffer war Gislassons Maßnahme, Gudjon Valur Sigurdsson von Linksaußen in die Angriffsmitte zu beordern und diesen auch als Abwehr-Spitze das SG-Spiel  stören zu lassen.
Dan Beutler zögerte das Unheil mit zwei abgewehrten Strafwürfen hinaus, doch spätestens beim 24:24 war das Unternehmen "Sturm auf die Kölnarena" ernsthaft in Gefahr. Nach dem 26:26 machte Beutler für Dane Sijan Platz, was sich ebenfalls als perfekt getimter Wechsel erwies. Sijan wehrte zwei freie Würfe der VfL-Außen Pungartnik und Wagner ab, vorn schraubten Torge Johannsen, Nielsen (2) und Johnny Jensen die SG-Ausbeute auf 30 Treffer - die Entscheidung. Sehr zur Erleichterung von Manager Fynn Holpert, der beim ersten großen Erfolg seiner Amtszeit ein "intaktes Team und einen passenden zweiten Anzug" registrierte, nachdem vor allem die Alternativen im breit aufgestellten Kader den Ausschlag gaben.