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SG stellt sich in Kiel selbst ein Bein

Der THW Kiel eilt nach einem 30:28-Sieg in einem packenden Derby gegen die SG Flensburg- Handewitt der 14. Meisterschaft entgegen. Der Rivale will sich aber noch nicht aufgeben.
Als Fan des THW Kiel erspart man sich manchen Stress. 14 Männer spielen Handball, und am Ende siegt die Mannschaft in Schwarzweiß. Beruhigend wie der Ertrag aus einem  Sparbuch und wohl mit ein Grund, warum die Anhängerschaft es zum Teil schon in ein stattliches Alter geschafft hat. Die  Höhen und Tiefen des irdischen Irrsinns lernt hingegen kennen, wer die SG Flensburg-Handewitt mit Hingabe begleitet. Am Mittwoch hatte sie beinahe den Gipfel erreicht, allein: "Wir gehen auf den Berg und vergessen, dort die Fahne zu hissen", umschrieb SG-Manager Fynn Holpert das abermalige Scheitern des ewigen Herausforderers.
Mit dem 30:28 für den Titelverteidiger scheint nach menschlichem Ermessen die deutsche Handball-Meisterschaft 2008 entschieden. Die Flensburger geben sich zwar nicht auf, und die Kieler wiegeln ab, aber dies gehört zur Folklore des Derbys und überdeckt nicht die Fakten. Der THW (40:6 Punkte) hat nur noch ein Spiel vor der Brust, in dem ernsthaft eine Niederlage droht, nämlich das in Hamburg. Der SG (37:7) jedoch liegen auswärts noch mindestens drei grobe Stolpersteine - Lemgo, Nordhorn, Rhein-Neckar Löwen - im Weg, und "in  Großwallstadt gewinnen wir ja auch nie", wie SG-Trainer Kent-Harry Andersson sarkastisch anmerkte.

Das "gelbe Trikot" half nicht.

Wer so viel Handball-Sachverstand besitzt wie Noka Serdarusic, hat die Chance, eine freundliche Anwort auf eine Fachfrage zu bekommen. Wer zu den Ahnungslosen gehört, also praktisch jeder, fragt zu Themen wie dem Restprogramm und lernt die legendäre Übellaunigkeit des THW-Trainers kennen, der besonders auf Flensburger Lamento allergisch reagiert. "Jedes Mal das Gleiche: Flensburg hat nur Probleme, Kiel ist Favorit", grummelte Serdarusic. "Ich kümmere mich nicht darum, was die SG vor sich hat. Ich stelle mir nur  vor, dass wir besser spielen, um Meister zu werden - ob das klappt, weiß ich nicht." Es wird wohl klappen, wenn Nikola Karabatic, der aktuell beste Ballwerfer auf dem Planeten, gesund bleibt. "Hätte Flensburg heute gewonnen, hätten wir nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden können", sagte der 23-Jährige und erläuterte, warum es nicht so kam. "Wer den kühleren Kopf bewahrt und einen Tick mehr kämpft, gewinnt das Spiel."
Neun Tore aus dem Feld, zwei Strafwürfe verwandelt, nachdem die Standard-Schützen Kavticnik und Lundström gescheitert waren - Karabatic brach Flensburg das Genick. Darüber täuscht auch eine nervöse Phase nicht hinweg, in der die SG-Abwehr und Torhüter Dan Beutler den Halblinken zu einer Serie von Fehlwürfen nötigten. Da hatten sich die Gäste gerade erholt. Von der Roten Karte (3x2) für Marcin Lijewski, die sich der Pole durch eine nicht sehr clevere Attacke gegen Lundström besorgt hatte.

Blazenko Lackovic traf immerhin fünf Mal.

Von einem Sechs-Tore-Rückstand, der im modernen Handball nicht einmal mehr in der Ostseehalle den K.o. bedeutet. "Wir wussten, dass die Kieler müde und die Pässe ungenauer werden. Da haben wir sie unter Stress gesetzt", beschrieb Linksaußen Lars Christiansen, wie der SG nach furiosem Start und rasanter Talfahrt das Comeback glückte. Beim 27:27 nach 57 Minuten hatten die Flensburger die Kieler am Kragen, bevor sie dann doch in eine Niederlage stolperten, die Fynn Holpert als "überflüssig wie ein Kropf" empfand. "Kiel hat den besten Spieler, wir haben das beste Team, das sich nur leider selbst ab und zu ein Bein stellt", sagte der Manager. 16 technische Fehler wogen am Ende zu schwer, symptomatisch war der Schlussakt, in dem Torge Johannsen auf Rechtsaußen der Ball und damit der mögliche Ausgleich aus den Fingern flutschte. "Ich hatte ihn, dann war er weg", sagte der Unglücksrabe, der allerdings von Mogensen kein optimales Anspiel bekommen hatte.
"Wir müssen den HSV schlagen, damit die Hamburger so motiviert sind, dass sie Kiel zu Hause bezwingen", umriss Holpert die Marschroute der SG, die zuvor auch noch am Sonntag in Zagreb ihre letzte Chance auf den Verbleib in der Champions League wahren muss. Die Kieler haben bis zum Auftritt in der Color Line Arena am 16. April relative Ruhe in der Liga. "Vorentscheidend wird das Spiel in Hamburg sein", glaubt Kim Andersson. "Wir haben es selbst in der Hand, Meister zu werden."